Exakt 61 Minuten nach Veröffentlichung der Zeitungsauflagen (ÖAK 22/1) verkündete das Medienhaus der Familie Fellner das Ende seiner Sonntagsgazette "Österreich". Das verwundert vorerst. Denn im Gegensatz zu 17.000 von Montag bis Samstag verbucht die ÖAK-Rubrik "Verkaufte Auflage" am siebten Tag 356.000 Papierexemplare. Erst einige Zeilen höher steht des Rätsels Lösung: 355.000 entsprechen der Kategorie "SB Sonntag". SB wie Selbstbedienung. Was in Österreich höflich "Entnahmetasche" heißt, nennen sie in Deutschland treffend "Klaubeutel".

Die Episode ist bemerkenswert, weil die Fellners per Klage versuchen, die Kaufpostille "Österreich" und das verwechselbare Gratisblatt "Oe24" als verschiedene Produkte durchzusetzen, um Presseförderung zu erhalten. Doch es wirkt als Randnotiz im Vergleich zum Auflagenzustandsbericht der heimischen Printmedien (dem sich die durch Pflichtinserate finanzierte "Wiener Zeitung" der Republik und das hoch geförderte "OÖ Volksblatt", ein De-Facto-Parteiorgan der ÖVP, verweigern).

Die Daten für die anderen zwölf Tageszeitungen erscheinen vorerst überraschend stabil. Doch wer unter den Rubriken "davon E-Paper" beachtet, erkennt eine rasante Entwicklung. Bei der "Presse" ist der Anteil dieser digitalen Ausgaben mit 37 Prozent am höchsten, die Kleine Zeitung verfügt mit 50.000 über die absolut größte Abo- und Verkaufszahl.

Wie rasant oder gebremst sich diese Entwicklung vollziehen muss, ist ein Streitfall der Strategien. Denn echte Printmedien sind immer noch das bessere Geschäftsmodell. Und es wird auch in Zukunft einen Markt für aktuelle Informationen auf Papier geben. Die Frage ist nur: für wie viele Leser in welchem Erscheinungsrhythmus? Insgesamt gibt das von vielen Verlagen lang unterschätzte Phänomen E-Paper aber Anlass, das Glas halbvoll statt halbleer zu sehen. Denn es ist ein Comeback des Ordnungsprinzips Zeitung. Der Nachrichtenwert einer durch klare Hierarchien handwerklich richtig gestalteten Doppelseite schlägt jedes von Online-Zwängen dominierte Bildschirmangebot.

Im E-Paper schlummert eine doppelte Chance. Es ermöglicht älteren Generationen die Transformation ihrer Zeitungsleser-Gewohnheiten. Das könnte bei vorsichtiger Weiterentwicklung eine Einstiegsdroge zur Nutzung originär digitaler Angebote sein. Umgekehrt ist das überlegene Ordnungsprinzip eine Möglichkeit, den Algorithmus-Altersklassen die Vorteile des Mediums Zeitung näherzubringen.