Kürzlich hat der Verfassungsgerichtshof die bislang kostenlose Nutzung von ORF-Programmen im Internet als verfassungswidrig beurteilt. Bis Ende 2023 muss das ORF-Gesetz nun angepasst werden. Mehrere Denkmodelle, darunter ein Abo-Modell oder eine Haushaltsabgabe, liegen auf dem Tisch. Was ist wahrscheinlich?
Matthias Karmasin: Da ist der Gerichtshof sehr deutlich: Das Verfassungsgesetz über den Rundfunk ist so auszulegen, dass möglichst wenig politischer Einfluss über die Finanzierung zu erfolgen habe. Das spricht wohl gegen eine Finanzierung aus dem Budget. Zweitens hält der Verfassungsgerichtshof an einer Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fest. Und ob ein Abo-Modell, das auf freiwilliger Zuwendung basiert, dieser Finanzierungsgarantie genügt? Ich bin der Meinung, dass das nicht ganz so ist. Diese beiden wesentlichen Rahmenbedingungen sprechen sehr stark für eine sozial differenzierte Haushaltsabgabe.
Das bringt nicht nur ORF-Gegner auf den Plan, sondern auch Leute, die nur noch Streamingdienste wie Netflix, Disney+ & Co. nutzen. Was ist die Antwort auf die gern gestellte Frage: Wie komme ich dazu, den ORF zu finanzieren, wenn ich ihn gar nicht konsumiere?
Matthias Karmasin: Ich zahle ja über meine Steuerleistungen auch Anzeigen in Medien mit, die ich nie benutze. Das bezahlen Ministerinnen und Minister ja nicht aus ihrer Privatschatulle, auch das ist Steuergeld. Grundsätzlich halte ich Medien für die Infrastruktur der Demokratie, das betrifft alle Medien, nicht nur den ORF. Andere Infrastrukturen werden ja auch von der Allgemeinheit finanziert. Die Investition lohnt sich. Wie unser Bundespräsident bei den Salzburger Festspielen klargelegt hat, ist unser Modell einer liberalen Demokratie bedroht. Es gibt Länder, wie etwa Polen oder Ungarn, wo man sehen kann, wie es in so einer gelenkten – oder wie es Viktor Orban sagt – illiberalen Demokratie im Medienbereich aussieht.