Schauspieler, Rapper, Komiker, Sänger: Die Karriere von Donald Glover alias "Childish Gambino" hat viele Gesichter. Seit knapp sechs Jahren darf der Tausendsassa auch eine eigens ins Leben gerufene Serie zu seinem künstlerischen Repertoire zählen. "Atlanta" widmet sich dem chaotischen Alltag von Earnest Marcks (Glover), einem Studienabbrecher, der mal mehr, mal weniger erfolgreich durch den Alltag irrt. Das Leben des Zauderers nimmt eine Wende, als er von seinem Cousin, dem aufstrebenden Rapper "Paper Boi" (Brian Tyree Henry: großartig), zum persönlichen Manager befördert wird. Eine Ausgangssituation, die unscheinbar klingen mag, jedoch reichlich Spielraum für Kreativität bietet.
Ob nun unsichtbare Autos, Alligatoren im Badezimmer oder Auftraggeber mit Serienkiller-Potenzial: Die Erfolgsserie hat sich bislang durch aberwitzige Episodenkonzepte und einem surrealistischen Touch ausgezeichnet. Nicht umsonst bezeichnete Schöpfer und Hauptdarsteller Glover selbst sein Fernsehprojekt als "Twin Peaks für Rapper". Glover wandelt meist auf einem schmalen Grat zwischen Comedy und Drama – mühelos werden Genres gewechselt, die Sozialsatire musste bis dato nie an Scharfsinn einbüßen. Nun geht die mehrfach Emmy-nominierte Serie in die dritte Runde.
Mit dem inzwischen zum Weltstar erkorenen "Paper Boi" begibt sich Protagonist Earn in der neuen Staffel auf Europatournee. Begleitet werden die Chaoten von Berufsexzentriker Darius (LaKeith Stanfield) und Earns On-Off-Partnerin Vanessa (Zazie Beetz), mit der er eine gemeinsame Tochter hat. Während ihrer Reisen werden der Musikmanager und sein Hip-Hop-Protegé von einer absurden Situation in die nächste geworfen.
Die bereits etablierte Unberechenbarkeit wird in Staffel 3 endgültig auf die Spitze getrieben. Die Serie zeigt sich experimentierfreudiger und weniger interessiert an klassischen Narrativen als je zuvor. Die Rahmenhandlung wird durch vignettenhafte Episoden unterbrochen, die losgelöst von den eigentlichen Geschehnissen sind. Doch macht sich die gesamte Staffel über eine thematische Stringenz bemerkbar, welche gerade in Folgen, die für sich stehen, auffallend wird. In der Vergangenheit hat die sich innerhalb der schwarzen Community abspielende Serie schon Rassismus zum Thema gemacht – wenn bisher auch nur am Rande. Die vermeintlich vorletzte Staffel lässt sich nun als indirekte Antwort auf die 2020 geschehenen "Black Lives Matter"-Proteste verstehen. Glover legt Probleme systematischer Natur offen, zeigt wie "white guilt" häufig mehr Probleme schafft, als diese zu lösen. Das 'weiße' Europa wird zum Symbolbild für performative Scheinsolidarität, hinter der selten mehr als heiße Luft steckt.
Überaus schräg, überaus politisch, überaus sehenswert.
Bei uns läuft "Atlanta" auf Disney+.
Christian Pogatetz