Herr Morgenbesser, Sie kamen 2019 von Sky zu Servus TV. War von Anfang an klar, welche Möglichkeiten es geben würde, oder brauchte es noch Überzeugungsarbeit?
Ich wäre nicht gekommen, wenn nicht ein Plan dahinterstehen würde. Ich glaube, das ist auch ein großer Faktor für den Erfolg, dass man immer weiß, was man macht, und auch seine Grenzen kennt. Man weiß, wo man mitspielen kann und wo nicht.
Fernsehrechte sind kurzlebig. Kaum hat man ein Recht, muss man sich schon um die nächste Periode kümmern. Servus TV kann nicht versprechen, die Champions League in den nächsten zehn Jahren zu zeigen.
Also es wäre freilich schön, wenn das wie früher wäre, bevor es eine gewisse EU-Regulierung über maximale Vertragslaufzeiten gab. So, wie es Eurosport jetzt beim Tennis gemacht hat, die haben die Australian Open und French Open für zehn Jahre gekauft. Dann hast du Planbarkeit. Aber die UEFA oder eine Agentur würde ihr Geschäftsmodell verfehlen, wenn sie sagen, ich gebe die Rechte für fünf Jahre raus. Das ist ja ein super Modell für sie, dass sie alle drei Jahre den Druck erhöhen.
Wie kann man unter diesen Voraussetzungen nachhaltig agieren und ein verlässliches Angebot liefern?
Unsere Strategie ist immer, dass wir uns nicht nur auf eine Sportart konzentrieren, sondern dass wir Sportart-Blöcke kreieren. Das heißt, wenn ein Puzzleteilchen davon wegfällt, verlieren wir nicht die gesamte Zuseherschaft. Wir haben im Fußball mit Champions League, Europa League, Conference League, jetzt mit dem DFB-Pokal, dann mit der Euro 2024 und der EM-Qualifikation ein sehr großes Angebot an Premium-Fußball. Das heißt, wenn jetzt die Champions League wegfallen würde, haben wir immer noch andere Highlights.
Die Online-Plattform Servus TV On wurde im März präsentiert. Was soll es sein, eine Art ORF-Sport+ 2.0?
Wir haben eine österreichische kostenlose Streamingplattform gebaut, wo fiktionale Inhalte und News drin sind, wie ein BBC-Player, und alles vom Sport, was wir nicht im TV-Kanal abbilden können. Das heißt, jeder Kunde findet genau den Inhalt, den er haben will. Deshalb kann man Servus TV On nicht mit dem ORF-Player oder einem Pay-TV-Produkt vergleichen. Wir sind, glaube ich, der einzige Anbieter europaweit, der von Formel 1 bis Champions League alle Produkte ohne Gebühren anbieten kann, plus die fiktionalen Sachen, die Eigenproduktionen, Nachrichten oder Kultur. Für uns ist es das ausgegebene Ziel, die stärkste österreichische Streamingplattform zu sein.
Die stärkste Plattform, ausgehend von einem klassischen Sender?
Genau.
Wo steht Servus TV On aktuell?
Wir hatten im April 80 Millionen gesehene Minuten und 5,2 Millionen Videoaufrufe. Allein beim Frankfurt-Finalspiel waren das über 100.000 Aufrufe. Das sind beachtliche Werte.
Ein Pay-TV-Kanal kommt für Servus TV nicht infrage?
Auf keinen Fall. Unsere Philosophie ist, das beste Produkt kostenfrei, ohne Gebühren in den Markt zu geben. Dafür steht Servus TV mit der besten Qualität. Das Gleiche gilt für Servus TV On.
In Österreich setzt Servus stark auf Tennis und damit auch auf Dominic Thiem. Wie bitter ist dessen Durststrecke für den Sender? Lässt sich das quantifizieren in Marktanteilen?
Wir waren sehr abhängig vom Tennis, als wir begonnen haben, in mehrere Sportarten zu investieren. Heute stehen wir auf mehr Säulen und ein Wegfall trifft uns nicht so stark. Aber natürlich ist es schon schmerzhaft, wenn man sieht, dass so ein guter Sportler so eine schwere Verletzung und es so schwer hat, wieder zurückzukommen. Dominic Thiem ist halt einfach der österreichische Tennissuperstar. Aber die Quoten sind auch ohne ihn okay: Mit Nadal hatten wir jetzt bei den French Open zum Beispiel 4,7 Prozent Marktanteil. Natürlich, mit Thiem hätten wir 11. Aber das ist das Risiko, das du eingehst. Es ist wie beim Fußball: Du weißt nie, ob Salzburg oder ob Rapid durchläuft. Du gehst immer eine Wette ein.
Sie haben die Sportblöcke erwähnt, mit Fußball, Motorsport und anderen Sportarten. Warum überlasst ihr den Skiweltcup dem ORF?
Weil der Skimarkt deutlich komplizierter ist, als man im ersten Moment denkt. Die verschiedenen nationalen und internationalen Übertragungsrechte sind nicht gleichzeitig geschaltet, sondern in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Das heißt, über drei Jahre oder fünf Jahre musst du dir alle Rechte zusammenkaufen. Wenn du Pech hast, verlierst du in der Zeit aber schon wieder ein Recht, bevor du das andere hast. Wir wollen stattdessen Servus TV On stärken und glauben, dass wir mit den Ski-Highlights das passende Produkt dazu haben. Sobald jemand über die Ziellinie fährt, können wir das sofort senden.
Wenn die FIS die Zentralvermarktung der Weltcuprennen übernehmen würde, wäre es dann noch einmal interessant für Servus?
Wenn ich jetzt Nein sagen würde, wird es eh keiner glauben. Natürlich, Wintersport ist in Österreich ein Riesenprodukt. Aber man muss auch ehrlicherweise sagen, der ORF macht das seit Jahrzehnten sehr gut. Wenn man die Kitzbühel-Übertragung anschaut, das ist jetzt kein Sportrecht, wo man einfach reingrätscht und sagt, man macht alles besser, weil der bisherige Lizenznehmer schlecht war.
Warum sublizenziert Servus TV die Formel-1-Rechte zur Hälfte dem ORF? Hat man es sich nicht zugetraut, die Übertragungen allein zu stemmen?
Wir haben es ja allein gekauft und uns dann in einer transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung angeschaut, welche Partner infrage kommen. Warum haben wir das gemacht? Weil wir ein Sender mit Vollprogramm sind und noch weitere starke Rechte wie die MotoGP oder Toptennis besitzen. Das heißt, wir können nicht immer alles zeigen, brauchen jemanden anderen, der das macht. Und da hat der ORF die besten Argumente gehabt. Und das ist gut für alle, auch für das Produkt. Die Formel 1 hat in Österreich noch nie so eine Coverage gehabt und ich fand es auch gut, wie dann die Rivalität zwischen den Sendern in den Medien hochgespielt wurde.
Trotzdem wird Servus TV ungern 600-700.000 Zuschauer dem ORF überlassen. Die Formel 1 erlebt ja aktuell an jedem Rennwochenende ein Quotenhoch.
Aber wann haben wir die Formel 1 erworben? Das war Anfang 2020, da war nicht abzusehen, dass das Produkt so durch die Decke geht. Trotzdem würden wir es im Nachhinein wieder so machen, weil die MotoGP für uns sehr wichtig ist. Da kommen wir her. Das ist unser erstes großes Motorsport-Produkt gewesen, wir haben da eine riesige Fanbase aufgebaut.
Kommen wir zum Thema Refinanzierung. Servus TV tut ja etwas, das als aussterbende Praxis galt: Ihr holt Spitzensport zurück ins Free-TV und investiert dafür wahnsinnig viel Geld. Wie kann sich das rechnen?
Wir sind ja über die Jahre gewachsen und standen irgendwann bei 3 Prozent Marktanteil. Um den nächsten Schritt zu gehen, musste man u.a. in Sportrechte investieren. Hauptintention, wenn man Sportrechte kauft, ist der Abstrahlungseffekt auf den ganzen Sender. Wir haben jetzt im Mai vermutlich einen Marktanteil von 4,5 Prozent. Das zeigt, wir erhöhen den Marktanteil, dadurch können wir höhere Preise in der Bewerbung, in der Vermarktung von den Inhalten verlangen. Wir schaffen gleichzeitig eine Verknappung der Werbezeiten, wo auch noch einmal eine Exklusivität entsteht. Wir gehen natürlich auch stark in die Distribution, gehen Partnerschaften ein, mit "Krone" oder "Laola", wo auch eine gewisse Refinanzierung und ein Marketingeffekt entstehen.
Funktioniert das nur, wenn im Hintergrund ein finanzkräftiger, sportbegeisterter Financier steht?
Na ja, wir als Servus TV versuchen schon, wie ich es eben gesagt habe, unsere Produkte zu refinanzieren. Jedes Unternehmen, egal, ob das DAZN, Sky oder der ORF ist, irgendwo muss man halt schon einen gewissen Rückhalt haben. Der Anspruch von uns allen ist, dass wir die Produkte so kreieren und bauen, dass wir eine wirtschaftlich relevante Größenordnung erzielen und es darüber refinanzieren können.
Sportrechte, die auf das Wachstum einzahlen. Liegt man diesbezüglich im Plan?
Wir werden in diesem Monat voraussichtlich den stärksten Marktanteil unserer Sendergeschichten haben, mit mindestens 4,5 Prozent. Zum Vergleich, 2016 lagen wir am Jahresende noch bei 1,7 Prozent, 2021 bei 3,7 Prozent.