Wer verstehen will, wie es Thomas Stipsits kurz vor seinem Zusammenbruch im letzten Herbst gegangen ist, muss die Macht der Angst ein bisschen besser kennenlernen.
„Meine Panikattacke war die Auswirkung, aber die Ursache lag woanders. Bei mir, und allen anderen, die mit Angst zu tun haben, kommen ein paar Dinge zusammen. Ein vermindertes Selbstwertgefühl, also ein Gefühl von Wertlosigkeit und dann das Bedürfnis, sich zu große Ziele zu stecken, die nicht erreicht werden können. Diese Mischung ist Futter für die Angst, da freut sie sich einen Haxen aus“, so der Kabarettist.
(einen Teaser zu unserem Gespräch finden Sie gleich hier im Video, das gesamte Gespräch hören Sie am besten im Podcast)
Thomas Stipsits hatte schon vor 13 Jahren mit genau diesen Ängsten zu tun und dachte, sie im Griff zu haben. Aber es kam anders: „Meine Panikattacke kam direkt auf der Bühne, ich hab eine Doppelvorstellung gespielt und am Abend war es dann so weit. Ich sah nur noch die ersten Reihen des Publikums, dahinter war alles schwarz und mein Gedanke war: Jetzt kommen alle 1500 Leute auf die Bühne und trampeln mich tot.“
Das ist natürlich nicht passiert und Stipsits selbst weiß genau, wie absurd dieser Gedanke ist, aber das änderte nichts an der Ohnmacht. Das Verrückte dabei: Niemand bemerkte, wie es ihm ging. „Es war eine Bombenvorstellung, aber ich wusste, als ich von der Bühne ging: Das war es jetzt für einen längeren Zeitraum.“
Inzwischen ist viel passiert. Die schönste Erfahrung nach vielen Wochen Reha im Waldviertel, Gruppentherapien und Pause von der Bühne: „Ich hatte erst Respekt vor der Gruppentherapie, aber es tut wahnsinnig gut, denn es gibt dort keine Wertung der sozialen Schichten und keine Wertung des Berufes, weil alle an einem Strang ziehen. Und das hat mir viel Sicherheit gegeben, zu wissen, dass alle in diesem Raum dieselben Probleme haben wie ich.“
Diese Erfahrung und die Erkenntnis, dass die Angst - Stipsits nennt sie „den Huber“ - einfach ein Teil von ihm ist, haben ihn gestärkt. Und geholfen, den „Huber“ in seinem Leben anzunehmen. „Man denkt sich ja, alle sind normal, nur ich bin deppat oder reiß dich halt zusammen, aber diese Sätze sind furchtbar. Sie vermindern dein Selbstwertgefühl noch einmal und die Botschaft, die man sich gibt, lautet: Du bist schwach. Heute kann ich sagen: Ich bin nicht schwach, ich bin sehr stark, weil ich sage, dass ich jetzt gerade schwach bin.“
Daher wirbt er auch für einen offenen Umgang mit allen mentalen Themen, denn egal wie man sie definiert, hängen sie doch stark zusammen. „Die Angst, die Depression und das Burn-out - das ist eine Psycho-Dreifaltigkeit, die sich gegenseitig fantastisch befruchtet, weil in der Angst traust du dich zum Beispiel nicht mehr einkaufen zu gehen, dann kommt der soziale Rückzug, dann automatisch die Depression und irgendwann die Totalerschöpfung“, so der 38-Jährige.
Was macht er, um nicht wieder zusammenzubrechen? „Ich bin ein Waldgeher geworden, ich liebe das. Wenn man immer fünf Dinge im Kopf hat, die einen treiben, dann hilft mir das, mich zu fokussieren.“
Auch in seiner Arbeit versucht er nun, sich nicht zu viel aufzuladen. Aber er steht jetzt wieder auf der Bühne, dreht Filme und auch sein aktueller Stinatz-Krimi „Das Eierkratz-Komplott“ unterhält in mit demselben Wortwitz der ersten beiden Bücher.
Seine Angst hat er angenommen, mögen aber tut er sie nicht. „Ich will mit dem Huber meinen Frieden machen, aber er geht mir trotzdem oft auf den Nerv.“
Das neue Buch von Thomas Stipsits heißt Eierkratz-Komplott und ist im Ueberreuter-Verlag erschienen - hier gibt es alle Infos dazu und die nächsten Auftritte des Kabarettisten