Der neue ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat zum Start seiner fünfjährigen Funktionsperiode die Prioritäten für das erste Halbjahr vorgestellt. In einer gemeinsam mit seinem Direktorenteam unterzeichneten E-Mail an alle ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter kündigte er etwa den Start zweier Player-Module, die Neuorganisation des Online-Bereichs und eine neue Daten-Strategie an. Auch erklärte er 2022 zum "Jahr der jungen Zielgruppen".
"2022 wird ein Jahr der Veränderung", heißt es zu Beginn der E-Mail. Schließlich habe sich das größte Medienunternehmen des Landes vom linearen Broadcaster zur multimedialen Plattform zu entwickeln. Inwieweit dies gelingt, hänge aber nicht nur von den "exzellenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" ab, sondern auch von "äußeren Einflüssen". Einer davon ist, ob es zu einer ORF-Gesetzesnovelle kommt, die sich das Medienhaus seit Jahren wünscht und für Entfaltung im digitalen Bereich sorgen soll. Ansprechpartnerin auf Regierungsseite ist hierfür neuerdings Susanne Raab (ÖVP), die die Medienagenden erhält. Weißmann wünschte sie zu dessen Start "viel Erfolg und alles Gute" und freute sich "auf eine gute Zusammenarbeit im Rahmen meiner Tätigkeit als Medienministerin".
Stark von gesetzlichen Neuerungen ist man am Küniglberg etwa bei der Erarbeitung einer multimedialen Flotten- und Online-Strategie abhängig. Deren Ziel ist der Ausbau der Online-Angebote insbesondere im Streaming-Bereich. Die aktuell noch in unterschiedlichen Stellen im Unternehmen verteilten Kompetenzen sollen für die Neuorganisation des Online-Bereichs gebündelt werden, wie es in der Mitteilung heißt.
Gestreamt werden soll künftig per ORF-Player. An dem Projekt arbeite man "unter Hochdruck" weiter. Die Module "Sport" und "Sound" sollen im ersten Halbjahr im Rahmen des bestehenden ORF-Gesetzes online gehen. "Sound" soll die größte Audioplattform Österreichs werden und auch Podcasts beheimaten. Bei "Sport" dürfte auch Randsportarten eine Plattform geboten werden. Für das Modul "Topos" - der Wissenschafts-, Bildungs-, Religions- und Kulturbereich des Players - erteilte unlängst die Medienbehörde KommAustria grünes Licht. Allerdings kann noch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) Rechtsmittel gegen die Entscheidung ergreifen. Das Modul ist in der Mitteilung nicht erwähnt.
Mit dem Player versucht der ORF nicht zuletzt auch jüngere Zielgruppen, die sich zusehends internationalen Streaminggiganten zuwenden, zu halten oder zurückzuerobern. Dabei will es der ORF nicht bewenden lassen. Das Direktorenteam erklärt in der Mitteilung 2022 zum "Jahr der jungen Zielgruppen". Dafür starte man eine "Young-Audience-Initiative" und werde eine neue "Social-Media-Strategie" verabschieden.
Eine neue Strategie soll es im ersten Halbjahr auch hinsichtlich Daten geben. "In Sinne der datengetriebenen Entscheidungsfindung und gesamtunternehmerischen strategischen Analysen sollen die Datensilos des Hauses vernetzt werden." Die Strukturen in der Technischen Direktion werden den Digitalisierungsbestrebungen angepasst.
2022 steht auch die Besiedelung des 303 Mio. Euro schweren ORF-Campus an, womit künftig auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ö1 und Ö3 im ORF-Zentrum am Küniglberg arbeiten werden. Die strukturellen Voraussetzungen für die Besiedelung des neuen multimedialen Newsrooms am ORF-Campus sollen im ersten Halbjahr geschaffen und ein Entwurf für die Organisationsanweisung erarbeitet werden.
"Viel Aufmerksamkeit" wird in den kommenden Jahren der Herbeiführung eines "Kulturwandels" gewidmet. So wird eine Stabsstelle für Unternehmenskultur ausgeschrieben, die unter anderem den Wertewandel systemisch etablieren soll und Augenmerk auf ein "verpflichtendes 360-Grad-Führungskräfte-Feedback" legt. Der Kulturwandel soll auch in den Landesstudios spürbar sein, kündigte Weißmann an. "Wir werden auf mehr Autonomie und Eigenverantwortung setzen und verstärkt regionale Inhalte von nationaler Relevanz zur besten Sendezeit abbilden." Ziel ist zudem, dass die Landesstudios unterstützt durch neue "Digital Units" verstärkt neue (junge) Zielgruppen erreichen. Junge Menschen werden in den nächsten Jahren angesichts Hunderter anstehender Pensionierungen auch angestellt werden. "Der ORF soll als Arbeitgeber für junge Menschen attraktiver werden", heißt es in der Mitteilung. Dafür erarbeite man ein Personalkonzept.
Weißmann hob in der E-Mail erneut hervor, dass er ein "sehr gut bestelltes Haus" von Alexander Wrabetz übernehme. Die vergangenen Monate habe er mit dem ehemaligen ORF-Generaldirektor konstruktiv zusammengearbeitet und etwa eine Programmentgeltanpassung in Höhe von acht Prozent beschlossen.