Das Wiener Arbeits- und Sozialgericht (ASG) hat in einem Verfahren um gegen den Medienmacher Wolfgang Fellner gerichtete Vorwürfe der sexuellen Belästigung eine Unterlassungsklage des "Österreich"-Herausgebers gegen seine ehemalige Mitarbeiterin Raphaela Scharf abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. "Wir werden dagegen selbstverständlich Berufung einlegen", kündigte Fellners Rechtsvertreterin Kristina Venturini am Montag an.

Fellner hatte in seinem Klagebegehren verlangt, Scharf möge ab sofort die Behauptung unterlassen, er, Fellner, habe sie Anfang Mai 2019 während eines Fotoshootings begrapscht und sie dadurch sexuell belästigt. Zugleich hatte er von Scharf den Widerruf ihrer Darstellung verlangt. Mit beiden Ansinnen blitzte er vor dem ASG ab.

Dem 15 Seiten umfassenden schriftlichen Urteil zufolge, das der APA vorliegt, wird bezüglich des Fotoshootings festgehalten: "Um offensichtlich neben der Klägerin nicht zu 'gewichtig' auszusehen, stellte sich der Kläger sehr dicht neben, teilweise auch hinter die Beklagte. Auf diese Weise kam es zu einem Körperkontakt zwischen den Streitteilen." Dabei war nach Ansicht des Gerichts von Folgendem auszugehen: "Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger in dieser Situation der Beklagten absichtlich auf das Gesäß griff. Es kann aber auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte nicht von einer vorsätzlichen Berührung am Hinterteil überzeugt ist." Der Senat erachte bei der Beweiswürdigung Fellner und Scharf als "gleich glaubwürdig", der relevante Tatvorwurf könne daher nicht festgestellt werden.

Raphaela Scharf
Raphaela Scharf © (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

"Allerdings war für den Senat nicht erwiesen, dass die Beklagte die Vorwürfe gegen den Kläger wider besseren Wissens erhob. Alleine, dass der Senat nicht feststellen kann, dass die inkriminierte Handlung tatsächlich erfolgte, bedeutet nicht, das die Beklagte nicht davon überzeugt ist, vom Kläger am Gesäß angefasst worden zu sein", ist dem Urteil weiter zu entnehmen. Die diesbezüglichen Schilderungen der ehemaligen oe24-tv-Moderatorin seien "glaubwürdig", wird in der Entscheidung betont: "Es liegen dem Senat keine Anhaltspunkte vor, dass das Beharren der Beklagten auf den Vorwürfen gegen den Kläger wahrheitswidrig erfolgt wäre."

Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird in dem Urteil ausgeführt: "Im gegenständlichen Verfahren konnte weder der inkriminierte Griff auf das Gesäß der Beklagten durch den Kläger noch der Vorwurf der bewussten Lüge der Beklagten bewiesen werden. [...] Aufgrund der gleichwertigen Glaubwürdigkeit dieser Personen konnte keine positive Sachverhaltsdarstellung darüber getroffen werden, ob der Zugriff auf das Hinterteil der Beklagten erfolgte oder eben nicht. Da die Wahrheit durch die vorliegenden Beweise durch das Gericht nicht ermittelt werden konnte, kann der Beklagten nicht Wahrheitswidrigkeit unterstellt werden. Das Gericht kann daher der Beklagten nicht absprechen, tatsächlich voll inhaltlich von den Tatvorwürfen überzeugt zu sein."

Folglich sei Fellners Klage "ein Erfolg zu versagen" gewesen, hält das Gericht abschließend fest: "Das Instrument der Unterlassungsklage sollte keinesfalls dazu dienen, sexuell Belästigte 'den Mund zu verbieten', eingedenk des Umstands, dass sich nicht jeder Tatvorwurf in einem Gerichtsverfahren erweisen lässt."

Fellners Rechtsvertreterin Venturini zeigte sich in einer Presseaussendung einerseits "froh, dass mein Mandant durch dieses Urteil vom Vorwurf der sexuellen Belästigung eindeutig freigesprochen ist". Ungeachtet dessen halten Venturini und der Wiener Anwalt Georg Zanger, der Fellner ebenfalls vertritt, die die Klage abweisende Gerichtsentscheidung für verfehlt. "Nach der ständigen Judikatur des OGH kann dieses Urteil in zweiter Instanz keinen Bestand haben", meinte Zanger.

"Das Gericht hat nach jahrelangem Verfahren nunmehr die Klage von Wolfgang Fellner zur Gänze abgewiesen. Das ist ein großer Erfolg gegen einen mächtigen Verleger, dessen Zeitung monatelang alles versucht hatte, um Stimmung gegen die Opfer zu machen. Das Gericht hat sich davon aber nicht beirren lassen", stellte Scharfs Rechtsvertreter Michael Rami fest. In einem der APA übermittelten Statement machte er auf ein Detail im schriftlichen Urteil aufmerksam: "Bemerkenswert ist übrigens die klare Aussage im Urteil, dass Wolfgang Fellner abseits des Falles von Raphaela Scharf einer anderen Mitarbeiterin einen 'Schlag auf das Hinterteil' gegeben hat. Wann wird sich Wolfgang Fellner für all das öffentlich entschuldigen?"