Sagen wir es mal so: Dass "The Crown" auf Preise aller Art gebucht ist, ist nun wirklich keine große Überraschung, dass jedoch ein Fußballtrainer, der nicht unbedingt aufs Gewinnen gebucht ist, gewinnt, ist nur auf den ersten Blick überraschend. Mit 20 Nominierungen ging die Serie "Ted Lasso" (Apple TV+) als einer der großen Favoriten in den diesjährigen Emmy-Abend und holte sich in der Comedy-Kategorie gleich die wichtigsten Preise: Beste Comedyserie und Jason Sudeikis als bester Hauptdarsteller. Auch die beiden Awards für die besten Nebenrollen gingen an die Serie über einen US-Football-Trainer, der in England mit höchst ungewöhnlichen Methoden einen Fußballverein umkrempelt.
Wobei das Wort "Fußballserie" überhaupt schon falsch ist. Was ist also das Geheimnis von Ted Lasso? Man nehme einen Loser, der auf böse und gute Jungs trifft, fülle das Bild mit schrulligen Charakteren und werfe ein paar Pointen hinterher. Klingt plump und vielfach gesehen, doch Ted Lasso nimmt eine andere Abzweigung: Er glaubt penetrant an dich, mich und den Rest der Welt. Das macht er so konsequent und liebenswert, dass er Misanthropen bekehren könnte. Unschlagbar: die Doppelpässe zwischen britischem Understatement und amerikanischer Seifenblasenhöflichkeit. Die Serie darf man als ein Plädoyer gegen die Herrschaft des Hardcore-Individualismus werten.
Schwer Konkurrenz machte "Ted Lasso" nur die HBO-Max-Serie "Hacks" über eine Entertainerin in Las Vegas, die ihre besten Jahre längst hinter sich hat. Die Serie mit Jean Smart in der Hauptrolle, holte sich im Comedyfach die Auszeichnungen für Regie, Drehbuch und die beste weibliche Hauptrolle.
Dass der royale Erfolgshit rund um Queen Elizabeth II. noch an Fahrt zulegen kann, ist hingegen keine große Überraschung: Nach vier Staffeln wurde der Netflix-Hit erstmals in der Königskategorie des wichtigsten Fernsehpreises der Welt ausgezeichnet. Olivia Colman für die Hauptrolle der britischen Königin Elizabeth II. hatte für diese Rolle zuvor bereits den Preis als beste Drama-Schauspielerin erhalten. Auch Josh O'Connor hatte für seine Verkörperung von Prinz Charles die Auszeichnung als bester männlicher Hauptdarsteller in einer Dramaserie bekommen. "The Crown" hatte am Sonntagabend darüber hinaus Auszeichnungen für die beste weibliche Nebenrolle (Gillian Anderson), beste männliche Nebenrolle (Tobias Menzies), beste Regie (Jessica Hobbs) und das beste Drehbuch (Peter Morgan) gewonnen. Auf elf Auszeichnungen kam die Serie insgesamt. Offenbar nicht ohne Grund, wie Prinz Harry schon einmal feststellte: "Ich fühle mich mit 'The Crown' wohler als mit den Geschichten, die über meine Familie, meine Frau oder mich selbst geschrieben wurden. Natürlich ist es nicht sehr exakt, aber es gibt eine grobe Vorstellung davon, wie dieser Lebensstil ist, welcher Druck es ist, die Pflicht über die Familie zu stellen, und über alles andere, was daraus entstehen kann", sagte Harry.
Vor allem auch in den Kategorie "Miniserie" gab es ein qualitativ hochwertiges Starterfeld: Mare of Easttown, I May Destroy You, WandaVision, The Queen’s Gambit und The Underground Railroad ritterten um die Auszeichnung. The Queen’s Gambit (Netflix), die hochgelobte Schachspielerinnen-Serie mit Anya Taylor-Joy machte hier das Rennen. Dass Kate Winslet sich mit ihrer Hauptrolle in "Mare of Easttown" (HBO/Sky) den Sieg in der Kategorie "Hauptdarstellerin in einer Miniserie" holte, ist keine allzu große Überraschung. Winslet verkörpert in der Serie eine Kleinstadt-Polizistin, die zwischen die Fronten gerät. In der gleichen Kategorie holte sich Ewan McGregor als Designer Halston (Netflix) in der gleichnamigen Serie die Auszeichnung.
Die großen Verlierer
Mit gleich 23 Nominierungen führte die Marvel-Reihe "Wandavision" (Disney+) das Feld an, konnte aber in keiner der wichtigen Kategorien eine Auszeichnung erringen. In den wichtigsten Kategorien hingegen leer ausgegangen ist der Netflix-Hit "Bridgerton" über Liebelei und Ränkespiele im viktorianischen England. "I May Destroy You" (HBO/Sky), die sehenswerte Serie rund um die Aufarbeitung einer Vergewaltigung von Michaela Coel, war zwar ebenso mehrfach nominiert, aber nur Coel als Autorin wurde ausgezeichnet. Wie man überhaupt intensiv nach Anzeichen für die vielfach eingeforderte Gleichberechtigung von Minderheiten in Hollywood suchen musste. Neben Coel wurde nur Produzentin, Schauspielerin und Choreografin Debbie Allen in den relevanten Kategorien ausgezeichnet. Sie erhielt den "Governors Award" für ihr Lebenswerk.
In den wichtigsten Kategorien leer ausgegangen ist leider die Serie "Underground Railroad" (Amazon Prime) von Oscarpreisträger Barry Jenkins. Die Serie nach einem Roman von Colson Whitehead erzählt bildgewaltig die Flucht zweier Sklaven in den Südstaaten. Das gleiche Schicksal hat auch "Hamilton" (Disney+) erlitten: Die viel gelobte Gründungsgeschichte der USA wurde in den nominierten Hauptkategorien ausgebremst. Ebenso "Lovecraft Country" (HBO/Sky), die Serienumsetzung des Kultromans von Matt Ruff, blieb bis auf den Emmy für eine Gastrolle für Courtney B. Vance, ohne Auszeichnungen in den Hauptkategorien. Die Serie handelt von drei Schwarzen, die sich in das Epizentrum des Fremdenhasses vorwagen und auf eine Geheimloge von Rassisten treffen. In Summe gingen also jene Serien leer aus, die sich mit dem gesellschaftlichen Themenkomplex Rassismus auseinandersetzen. Vielmehr zeigt sich an den ausgezeichneten Produktionen eine Vorliebe für Persönlichkeitstiefenbohrungen, die vor allem auch weibliche Rollen betreffen: Ob "The Crown", "Das Damengambit", "Mare of Easttown" oder "I May Destroy You", die Protagonistinnen hadern mit sich und ihrem Umfeld. Es sind intensive Einblicke in die komplexe Wechselwirkung von Gesellschaft, Familie und individueller Freiheit.
Insgesamt setzte sich der Siegeszug der Streamingplattformen im Fernsehbereich fort. "Ted Lasso" läuft auf Apple+, "The Crown" auf Netflix. Ebenfalls von Netflix produziert wurde die beste Miniserie des Jahres, "Das Damengambit".