Wendigkeit kann Alexander Wrabetz niemand absprechen, sonst säße er derzeit nicht als erster Mann in einer dritten aufeinanderfolgenden Amtszeit an der ORF-Spitze. Seine taktischen Manöver hoben im August 2006 Monika Lindner aus dem Sattel, denn Wrabetz – damals in der Funktion des kaufmännischen Direktors – wusste die Gunst der Stunde und seine diplomatischen Fähigkeiten zu nutzen.
Die schwere Demütigung durch den SP-nahen Wiener für Wolfgang Schüssel & Co. ist nicht vergessen. Schaffte es Wrabetz doch, gegen die schwarze Lindner von einer Regenbogenkoalition aus SPÖ, BZÖ, Grünen, FPÖ und Unabhängigen zum neuen ORF-Generaldirektor gewählt zu werden. Seine SPÖ-Mitgliedschaft stellte er mit Antritt der ORF-Chef-Funktion (1. Jänner 2007) ruhend. Bei seiner ersten Wiederwahl 2011 stimmten dann auch etliche ÖVP-Stiftungsräte mangels Alternativen für ihn.

Der dreifache Vater, Opern-Fan und clevere Stratege wusste sogar die Unzufriedenheit seiner (ehemaligen) Parteifreunde zu überstehen: Der damalige Bundeskanzler Werner Faymann (2008–2016) und dessen Staatssekretär Josef Ostermayer zeigten phasenweise und nicht leise Lust daran, Wrabetz abzusägen. Zuletzt, also 2016, vermochte er sich knapp gegen den von der ÖVP unterstützten Konkurrenten Richard Grasl durchzusetzen – mit den Stimmen der SPÖ, Grünen, Neos und Unabhängigen im Stiftungsrat.

Generaldirektor Alexander Wrabetz nach seiner ersten Kür im August 2006
Generaldirektor Alexander Wrabetz nach seiner ersten Kür im August 2006 © ORF



Dabei stammt der promovierte Jurist aus einer FPÖ-nahen Familie, neigte politisch jedoch früh in eine andere Richtung: Er engagierte sich beim Verband Sozialistischer Studenten und war ein Jahr lang auch dessen Bundesvorsitzender. In den ORF wurde er allerdings 1998 vom VP-nahen ORF-General Gerhard Weis geholt. Damals war er noch Vorstandsmitglied des Medizinkonzerns Vamed.

Finanziell bilanziert der ORF "2020 zum vierten Mal in Folge positiv, wird es auch 2021 tun", wie er erklärt. Wirtschaftlich hat er die Ziele trotz Corona-Pandemie also erreicht, die gleichzeitig für Top-Quoten der Informationssendungen sorgte. ORF 2 ist auch mit seinen anderen Formaten gut auf Kurs.

Wrabetz mit seinen aktuellen Direktoren Andreas Nadler (Kaufmännischer Direktor), Kathrin Zechner (Programm), Monika Eigensperger (Radio), Michael Götzhaber (Technik)
Wrabetz mit seinen aktuellen Direktoren Andreas Nadler (Kaufmännischer Direktor), Kathrin Zechner (Programm), Monika Eigensperger (Radio), Michael Götzhaber (Technik) © ORF

Zu den Leuchttürmen in seiner bisherigen Amtszeit zählt der Sendestart von ORF III im Herbst 2011 und der Erfolg von heimischen TV-Serien. In der ersten Ära, als er die "größte Programmreform aller Zeiten" ausrief, kam es zu einigen Stolperern – Flops wie die Daily Soap "Mitten im Achten" oder Dominic Heinzls "Chili" sorgten für einen holprigen Start. Zu spät wurde der Reformstift bei ORF 1 angesetzt, dort will er bei einer Wiederwahl laut seines Konzepts eine Umgestaltung "ohne Alternative". Das muss nun wohl Roland Weißmann schaffen.
Unterliegt ihm Wrabetz heute, dann nicht aufgrund seiner Bilanz der letzten Jahre.