In zehn Tagen wird Österreich nicht nur wissen, wer in den nächsten fünf Jahren den ORF führen wird. Dann ist auch von jedem der 35 Stiftungsräte bekannt, wen er gewählt hat: Alexander Wrabetz, Lisa Totzauer, Roland Weißmann, Thomas Prantner oder einen der zehn weiteren Kandidaten, denen heute niemand Chancen gibt. Aufgrund politischer Machtrealität scheint das Rennen schon gelaufen. Weißmann ist der türkise Favorit. ÖVP-Gesandte sind die Mehrheit im Wahlgremium. Im Gesetz steht aber auch: "Die Mitglieder des Stiftungsrates haben dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft." Ein Abstimmverhalten, das die Hausinteressen Parteiwünschen unterordnet, ist demnach sogar klagbar. Das wirft Fragen auf, die Stiftungsräte (sich) stellen sollten, bevor sie sich leichtfertig als Erfüllungsgehilfen des falschen Absenders offenbaren:
Genügt meine Expertise zur Beurteilung der Konzepte und Kandidaten? Sind mir die Unterschiede ausreichend bewusst? Wer bringt die stärkste demokratiepolitische Position? Wer hat den größten Nutzen für den ORF? Wer versteht am besten die technologischen Herausforderungen? Wer verfügt über die realistischsten Vorstellungen über den Wettbewerb mit globalen Konzernen? Wer hat die klarsten Ansagen für Konkurrenz und Kooperation mit nationalen Marktbegleitern? Wem ist der deutlichste Widerstand gegenüber parteilichen Begehren zuzutrauen? Wer garantiert am ehesten den Vorrang des Informationsauftrags? Wer verkörpert am überzeugendsten die Unabhängigkeit?
Das ist eine Auswahl von bloß zehn nur wenig detaillierten Fragen. Jeder Stiftungsrat sollte sie – und viele andere – samt Begründung überzeugend beantworten können. Gegenüber jedem, der die 650 Millionen Euro Programmentgelt für den ORF per Rundfunkgebühr mitbezahlt. Das bisherige Verhalten von Stiftungsräten weckt jedoch Zweifel an befriedigenden Antworten auf legitime Erkundigungen.
Dann aber stehen die Delegierten von Bundesregierung (9) und -ländern (9), Parteien (6), Publikums- (6) und Betriebsrat (5) selbst in Frage. Sie haben bei der Wahl am 10. August und der Direktorenkür am 16. September die letzten Chancen, um zu beweisen, dass sie den Anforderungen an Stiftungsräte genügen und nicht als pure parteipolitische Handlanger dienen. Ansonsten sind sie persönlich einer heftigen öffentlichen Debatte auszusetzen. Die Funktionsperiode des Stiftungsrates endet im Mai 2022. Erfüllungsgehilfen dürfen bis dorthin keine Ruhe mehr haben. Das sind wir dem ORF schuldig.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.