Schon länger war spekuliert worden, dass RolandWeißmann sich um den Chefsessel am Küniglberg bewerben könnte - favorisiert von der Kanzlerpartei ÖVP. Nun ist es soweit. Wie auch seine Mitbewerber hatte der 53-jährige gebürtige Linzer bisher mehrere gewichtige Positionen im ORF inne. So agiert er seit 2012 als "Chefproducer Fernsehen", womit er das größte Programmbudget im ORF verwaltet. Seit 2017 ist er zudem Vizefinanzdirektor.
Weißmann war 2016 vom damals frisch wiederbestellten ORF-Generaldirektor AlexanderWrabetz zunächst sogar als Kaufmännischer Direktor vorgesehen. Nachdem der ÖVP-"Freundeskreis" im obersten ORF-Gremium den Preis für die Zustimmung zu Wrabetz' Direktorenteam aber immer weiter in die Höhe schraubte, wurde es doch nichts mit dem Posten des Finanzdirektors.
Mit "Freundeskreis" in Südfrankreich
Wrabetz machte den am 16. März 1968 geborenen Weißmann schließlich zum stellvertretenden Finanzdirektor, auch weil Weißmann nach dem Ausscheiden des Wrabetz knapp unterlegenen RichardGrasl die Rolle als Verbindungsglied zum türkisen "Freundeskreis" im ORF-Stiftungsrat übernahm. Weißmann nahm etwa an Treffen bürgerlicher Stiftungsräte oder einem Seminar von "Freundeskreis"-Leiter ThomasZach in Südfrankreich teil - nach vorheriger Genehmigung der Generaldirektion.
Weißmanns Karriere im ORF ist eng mit dem Namen Grasl verbunden. Nach dem Publizistik- und Geschichtestudium landete er 1995 im aktuellen Dienst im ORF-Landesstudio Niederösterreich. Nach Zwischenstopps als Chef vom Dienst bei Ö3 und als stellvertretender Chronikressortleiter in der ORF-Radioinformation, zog es Weißmann, der in seiner Freizeit Ausgleich beim Laufen und Boxen sucht, erneut nach Niederösterreich, wo er ab 2003 stellvertretender Chefredakteur unter Richard Grasl war.
Fachkompetenz und ORF-Player
Ab 2007 war er als Fernsehchef für die tägliche Sendung "NÖ heute" mitverantwortlich. Ab 2010 war Weißmann Grasls Büroleiter in der ORF-Finanzdirektion und beschäftigte sich seitdem intensiv mit wirtschaftlichen und finanziellen Themen. ORF-intern wird dem gelernten Journalisten inzwischen hohe Sachkompetenz in Finanz- und Budgetthemen attestiert. Grasl machte seinen langjährigen Wegbegleiter auch zum "Chefproducer Fernsehen". In dieser Funktion hatte Weißmann ein rund 400 Millionen Euro schweres Budget zu verwalten. 2020 wurde Weißmann von Wrabetz dann auch noch zum dritten Geschäftsführer von ORF.at und Verantwortlichen für die geplante Streamingplattform ORF-Player bestellt.
In seinen niederösterreichischen ORF-Jahren arbeitete Weißmann übrigens nicht nur eng mit Grasl zusammen, sondern auch mit den heutigen Channel Managern von ORF 1 und ORF 2, Lisa Totzauer und Alexander Hofer. Während Hofer noch immer zu den engsten Vertrauten Weißmanns zählt und im Fall von dessen Bestellung zum ORF-Chef als logischer Kandidat für den Job des Programmdirektors gehandelt wird, gilt das Verhältnis zu Totzauer, die mit Weißmann und Wrabetz am 10. August um den Posten des Generaldirektors ringt, als deutlich abgekühlt.
Weißmann dürfte derzeit für die ORF-Wahl am 10. August die besten Karten unter den Bewerbern haben. Der türkise "Freundeskreis" im ORF-Stiftungsrat hat sich laut APA-Informationen vergangene Woche auf die Unterstützung seiner Kandidatur verständigt. Weißmann gilt als gut vernetzt ins bürgerliche Lager und in die ÖVP. Während ihm Kritiker Willfährigkeit unterstellen, beschreiben ihn andere als verbindlich, verlässlich und professionell.
"Die Unabhängigkeit der Redaktion ist für mich das Wichtigste", meinte er erst kürzlich im Zuge einer Debatte um politische Einflussnahme auf die Berichterstattung von ORF.at. Redaktionsvertreter erinnerten Weißmann zuvor, dass es als Geschäftsführer nicht seine Aufgabe sei, im Sinne einer Partei zu intervenieren und Umtitelungen oder Ähnliches zu fordern. Nach einer Aussprache sei die Causa erledigt, so Weißmann.