Journalismus muss unabhängig und glaubwürdig sein, um stark sein zu können. Wir glaubwürdig ist es aber, wenn letztlich jene Politik entscheidet, wer ORF-Generaldirektor wird, über die unabhängig berichtet werden soll, Frau Totzauer?
LISA TOTZAUER: Die 35 StiftungsrätInnen werden mich und alle anderen Bewerber an ihren Konzepten und den Inhalten messen. Das halte ich für einen guten und richtigen Zugang, im Idealfall völlig losgelöst von politischen Begehrlichkeiten jedweder Art. Und wenn wir schon von Unabhängigkeit reden, sind für mich einige Dinge völlig klar. Zum Beispiel: Die Information kann zukünftig nicht mehr bei der Generaldirektorin ressortieren, das kann ich mir als Journalistin in Zukunft nicht mehr vorstellen. Für mich ist daher folgerichtig klar, dass die Information mit einer eigenen Direktion ausgestattet werden muss.
Haben Sie Ihre Bewerbung schon abgegeben?
Ich bin im Finale und werde unseren StiftungsrätInnen ein kompaktes, schlüssiges Gesamtkonzept abgeben.
Was passiert, wenn nichts aus der Bestellung wird? Gibt es bei Ihnen Ängste um die berufliche Zukunft?
Ich habe überhaupt keine Angst, denn Angst ist ein schlechter Ratgeber. Es ist eigentlich schade, dass diese Frage überhaupt im Raum steht, weil eigentlich geht es um den spannendsten Medienjob in unserem Land. Vor diesem Hintergrund wäre es eigentlich großartig, wenn möglichst viele die Freude haben, sich auch zu bewerben.
Gab es einen Generaldirektor, der für Sie als Vorbild taugt?
Die Herangehensweise von Gerd Bacher in seiner Stärke und seiner Herangehensweise was pluralistische Teams angeht hat mich immer beeindruckt. Starke Persönlichkeiten zu versammeln, die einen anderen Blick auf die Welt haben, um ständig im Diskurs zu bleiben und sich ständig auch an Argumenten zu reiben und zu finden, das ist für mich ein großes Vorbild. Starke Führung bedeutet für mich auch, vieles zulassen zu können.
Wenn wir konkret über die Herausforderungen sprechen: Was wären für Sie Säulen, auf denen die künftige Entwicklung des ORF fußen sollte?
Für mich ist eine Steigerung des österreichischen Programmanteils in allen Genrefarben als zentraler Punkt unabdingbar. Da geht es darum, unverwechselbar österreichisch und besonders nahe am Publikum zu sein. Auch die Digitalisierung ist selbstverständlich eine ganz große Herausforderung, da tragen wir eine große Verantwortung, weil wir sonst viele Bereiche der Bevölkerung nicht mehr erreichen – und das möchte ich nicht. Ich möchte, dass ganz Österreich auf allen Kanälen an unserem Programm teilhaben kann. Auch im Bereich der Regionalisierung und Information tragen wir eine ganz große Verantwortung und haben noch Luft nach oben.
Stichwort Regionalisierung: Wo sehen Sie die Zukunft der Landesstudios?
Es zeichnet das Programm des ORF aus, dass ein sehr großer Anteil unseres Programms regional verankert und produziert ist. Unser Humor, unsere Kultur, unsere Sprache und Dialekte sind ein ganz wichtiger Teil unseres Programms. Das macht uns unterscheidbar und einzigartig, bringt uns näher ans Publikum und ist überlebensnotwendig – nicht nur für den ORF, sondern für den gesamten österreichischen Medienmarkt. Warum? Wir brauchen Regionalität und Nähe, um gegen internationale Plattformen konkurrenzfähig zu bleiben. Deswegen ist es klar, dass wir die Landesstudios stärken müssen. Da reden wir selbstverständlich von mehr Geld, aber auch von Personal und technischem Equipment.
Sie sind als Channelmanagerin von ORF 1 für die Herkulesaufgabe zuständig, dem Sender eine neue Identität zu geben. Das gelingt einmal besser, einmal schlechter. Was können Sie aus dieser Aufgabe für den Job als Generaldirektorin mitnehmen?
Viel, sehr viel. Was entscheidend ist: Es ist nicht sinnvoll, von einem strategischen Weg alle paar Schritte nach vorne, wenn der erste Gegenwind aufkommt, nach hinten abzugehen. Ich hatte viel Gegenwind und ich weiß heute, es war richtig, konsequent am Weg zu bleiben. Wir sind bald im vierten Quartal in Folge beständig über den Vorjahresquoten. Das war das letzte Mal 2014 der Fall. Und es nicht nur der Sport, der uns Rückenwind verleiht, das würde rein mathematisch nicht funktionieren, sondern es ist ein programmliches Faktum, das sich an der erfreulichen Quotenentwicklung nach oben ablesen lässt. Das heißt, der Turnaround ist geschafft. Das war nur möglich, weil wir mit ORF 1 den Veränderungsprozess konsequent umgesetzt und beständig durchgezogen haben, auch wenn wir zwischenzeitlich im Tal der Tränen waren. Und ohne ein bergab gibt es auch kein bergauf und den Gipfelsieg. Diese Kraft und Ruhe am Weg zu bleiben habe ich gelernt, genauso wie mit Niederlagen umzugehen. Es gehört auch zum Leben einer Medienmanagerin dazu, dass etwas einmal nicht ganz so gut funktioniert, wie man es sich erträumt hat.
Generaldirektor Alexander Wrabetz hat angekündigt, die Schlüsselpositionen des künftigen multimedialen Newsrooms selbst besetzen zu wollen. Wie sehen Sie diese Vorgehensweise?
Insgesamt halte ich diesen Prozess für schwierig. Ich bin wie gesagt überzeugt davon, dass wir in Zukunft die Information als eigene Direktion organisieren sollten. Vor diesem Hintergrund wäre es für mich vollkommen klar, so einen Prozess gemeinsam mit einem Informationsdirektor, einer Informationsdirektorin zu entscheiden.
Wie hoch sind die Chancen, dass Sie ORF-Chefin werden?
Ehrlicherweise kann ich es Ihnen erst sagen, wenn ich das Feedback der StiftungsrätInnen zu meinem Konzept bekommen habe. Also stellen Sie mir die Frage Ende Juli noch einmal.
Ist es nicht naiv zu behaupten, die Stiftungsräte entscheiden nur nach dem besten Konzept?
Ob naiv oder nicht, es geht bei meiner Bewerbung und in meinem Konzept auch um Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, meine, jene der Stiftungsräte und des ORF. Das ist auch ein Grund, warum ich mich dazu entschieden habe. Meine Bewerbung ist etwas Prinzipielles und daran halte ich fest, im besten Wissen und Gewissen für den ORF.