Europa vor und kurz nach dem Ersten Weltkrieg ist immer eine sichere Bank. „Babylon Berlin“ oder „Freud“ haben es zuletzt vorgemacht und nun zieht Canal+ mit einer Bombastserie nach, die rund zwei Millionen Euro pro Folge gekostet hat. Und das sieht man: Unter den gedeckten Farben blitzt eine überbordende düstere Opulenz durch. Und noch ein paar Ingredienzien sind mit dabei, die sich beim Publikum für gewöhnlich großer Beliebtheit erfreuen: Sex, Crime und Drogen. Letztere in Form von Heroinspritzen, die sich die feinen Damen während des Teekränzchens in den Oberschenkel rammen. Warum auch nicht? Die Welt außerhalb der schweren Samtvorhänge ist so düster wie die Kulisse: Die Dreyfus-Affäre wirkt wie ein Brandbeschleuniger beim ohnehin latent schwelenden Antisemitismus und wer nicht zur Oberschicht gehört, kämpft ums nackte Überleben. Und überhaupt: It’s a Man’s World, was sonst.
Präsident Félix Faure kehrt nach einem Blowjob nicht mehr aus dem Paradies zurück und die erhitzte Stimmung ist auch politisch auf den Straßen der Stadt spürbar. Währenddessen wird aus der Seine ein Koffer mit einem weiblichen Torso gefischt. Der junge Inspektor Antoine Jouins (Jérémie Laheurte) ist nicht nur an der Ermittlung beteiligt, sondern sticht aus dem munteren Treiben aus Korruption und Machtgeilheit wie ein trauriges überkorrektes Unschuldslamm hervor. All das ist eingebettet in einen verdichteten Handlungsreigen aus Spionage, politischen Intrigen und Kriminalfall.
Das klingt nach einer sehr passablen Startaufstellung, jedoch gibt es einen Haken: Die Serie ist zu schön, um wahr zu sein. Ob Massen- oder Einzelszenen, es fehlt das Quäntchen Chaos, die Anarchie, der Hedonismus, der dieser Zeit in ihrer Erzählung eigen ist. Hier ist bis ins kleinste Detail alles dort, wo es der Theorie nach sein sollte – und diese Überperfektion ist spürbar. Zu viel gewollt, könnte man sagen und das betrifft auch die Überfülle an Handlungssträngen, die sich von Beginn an ausbreitet. Das geht deutlich zulasten der Hauptfiguren wie Inspektor Antoine Jouins, dessen Figur oberflächlich bleibt. Der Serie gelingt damit ein spannendes Kunststück: Sie bleibt bisweilen blutleer, obwohl das Blut recht ordentlich fließt. Zugegeben, das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau, aber weniger Perfektion wäre hier mehr. Und doch: Wer in die Belle Époque eintauchen will, der wird gut bedient.
„Paris Police 1900“ auf Sky