Mit dem Film „Sörensen hat Angst“ hat es eine Geschichte aus dem fiktiven norddeutschen Dorf Kattenbüll geschafft, in Wien bei der Romy-Verleihung zwei Mal ausgezeichnet zu werden: für das beste Drehbuch und den besten TV-Film. Was bedeutet das für Sie?
BJARNE MÄDEL: Das ist ganz toll. Wir haben versucht, mit Sörensen keinen Lokalkolorit-Krimi zu drehen, sondern eine allgemeingültige Geschichte zu erzählen. Eine, die den Versuch macht, den Leuten u.a. das schwierige Thema Angststörung mit Leichtigkeit und Humor näher zu bringen. Das war eine Gratwanderung. Dass unser Mut nun mit der Romy belohnt wird, freut uns wahnsinnig.
Der von Ihnen verkörperte Ermittler Sörensen hat eine Angststörung und man erfährt, wie man es vielleicht noch nie im Fernsehen gesehen hat, was die Angst mit ihm macht.
Uns war von Anfang an wichtig, dass wir nicht von einem Kommissar erzählen, der eine Macke hat, sondern dass die Angststörung an sich für die Zuschauerinnen und Zuschauer erfahrbar gemacht wird. Die permanente Angst, es könnte etwas Schlimmes passieren, nennt man generalisierte Sorgenangst. Wir wollten spürbar machen, was es bedeutet, diese Bedrohung zu empfinden, die den Körper in eine ständige Alarmbereitschaft versetzt. Der ganze Film sollte sich anfühlen wie eine Angststörung. Kattenbüll sollte kein Wohlfühl-Ort sein. Im Roman von Sven Stricker regnet es permanent, aber Regen ist im Film sehr teuer, deswegen mussten wir uns da beschränken. Es sollte aber grau und matschig sein und sich auch so anfühlen.
Einen Kriminalfall gibt es auch.
Ich habe immer gesagt: Am allerwenigsten interessiert mich der Krimi. Das ist einfach der Plot, den ich brauche, um die Geschichte und ihre Figuren zu erzählen. Als Regie-Debütant war der Krimi aber schon sehr hilfreich, um einen roten Faden zu haben. Am spannendsten fand ich aber die Darstellung der Angst, die über allem liegt.
Hörspiel, Roman, Film: Dem Projekt Sörensen liegt eine ungewöhnliche Vorgeschichte zugrunde. Sie haben erstmals Regie geführt. Wie kam es dazu?
Der Produzent, Jakob Claussen, hat uns eine Liste mit acht oder neun Regisseuren und Regisseurinnen vorgelegt und bei einem habe ich leichtfertig gesagt: „Bevor der das macht, mach‘ ich es lieber selber!“ Das war eigentlich nur ein spontaner Gedankenreflex - aber eben leichtsinnigerweise laut ausgesprochen. Jakob hat das ernst genommen und mich gefragt, ob ich diese Funktion übernehmen möchte.
Hat Ihnen diese Frage Angst gemacht?
Im ersten Moment dachte ich: „Wie soll das denn gehen? Ich spiele ja die Hauptrolle!“ Dann fängt man an, darüber nachzudenken, was das bedeutet. Nämlich, dass man die Art und Weise bestimmen kann, wie der Film wird, die Schauspielerinnen und Schauspieler mit aussuchen kann usw. und dann kann man es sich plötzlich gar nicht mehr anders vorstellen. Ich habe mich das allerdings nur getraut, weil alle Zutaten so gut waren: tolles Team, super Buch und ein fantastisches Ensemble. Ich hätte nur noch an meinem eigenen Anspruch scheitern können.
Wie streng waren Sie als Regisseur zu sich als Schauspieler?
Ich habe viel Lob von ihm bekommen. Ich habe aber auch im Vergleich zu den Kollegen wirklich nichts falsch gemacht... Wir haben das sehr humorvoll genommen: Nach einer Szene von mir mit Matthias Brandt habe ich zum Beispiel gesagt. „Mein Part war wiedermal super, aber der Brandt kann es halt einfach nicht. Deswegen müssen wir es jetzt leider noch mal machen.“ Matthias konterte: „Ich möchte sofort meine Agentur sprechen und zurück ins Hotel.“ Dann haben wir alle gelacht und es noch mal gemacht.
Gleich nach der Ausstrahlung ging eine Frage viral: Wird es eine Fortsetzung geben? Wird es?
Wir wurden wirklich direkt danach vom Sender gefragt, ob wir uns einen zweiten Teil vorstellen könnten. Da bin ich erstmal auf die Bremse gestiegen. Ich habe eineinhalb Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Als Schauspieler ist es für mich ungewöhnlich, so viel Zeit in ein Projekt zu stecken. Ich dachte, ich kann jetzt nicht sofort mit dem nächsten Sörensen anfangen, dann werde ich doch noch zum Krimi-Regisseur. Ich wollte auch erstmal wieder in meinem Hauptberuf arbeiten. Aber jetzt sind wir schon lose in Planung für Teil zwei. „Sörensen fängt Feuer“ heißt die Fortsetzung, die ja bereits als Roman vorliegt.
Apropos Hauptberuf: Mit „Mord mit Aussicht“, „Stromberg“ und „Tatortreiniger“ wurden Sie einer breiten Masse bekannt. Bekommen Sie genug interessante Rollenangebote?
Ich bin sehr privilegiert. Dass ich mir Rollen überhaupt aussuchen kann, ist ein großer Luxus. Wenn ich das Gefühl habe, ich wiederhole mich, sage ich gern ab. Ich bin oft auch einfach enttäuscht von der Qualität der Bücher. In Deutschland haben wir das Problem, dass Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren alles können sollen. In den USA ist das anders: Dort gibt es Menschen, die den Plot schreiben und wiederum andere, die für die Dialoge zuständig sind. Bei uns muss immer eine Person alles schreiben – und ist dann oft auch noch schlecht bezahlt. In Amerika sitzen die Autoren mit am Set. Ich selbst habe es schon so oft erlebt, dass wir einen anderen Übergang brauchten und dann sitzen wir da und denken uns zusammen mit der Regie passende Sätze aus. Da wünschte ich mir da eine engere Zusammenarbeit.
Wo werden wir Sie demnächst auf dem Bildschirm oder der Leinwand sehen?
Das Sozialdrama „Geliefert“ feierte beim Filmfest München Premiere. Ich spiele darin einen alleinerziehenden Vater und Paketzusteller. Der Film kommt im Herbst ins Fernsehen.