Mehr als die Hälfte aller Inseratenausgaben der Bundesregierung bekommt der Boulevard. "Krone", "Heute" und "Oe24/Österreich" haben auf diese Weise 2020 fast 20 Millionen Euro eingenommen. Diese Analyse des Medienhauses Wien sorgt international für Kopfschütteln. Dabei geht es weniger darum, ob der Verteilungsschlüssel nach Reichweite gerechter wäre als aufgrund von Auflage. Auch die Frage, warum der Staat derart das Geschäftsmodell Gratiszeitungen ("Heute" und "oe24") mitfinanziert, rückt in den Hintergrund. Österreichs Nachbarn sind vor allem grundsätzlich über diese verdeckte Form der Subvention erstaunt. In zweiter Linie verblüfft sie aber, warum das ausgerechnet in der Mediennische der Boulevardblätter geschieht. Denn abgesehen von demokratiepolitischen und ethischen Bedenken handelt es sich dabei um das hinfälligste aller tagesaktuellen Papierprodukte.
Die britische "Sun", die viele Jahre nach der deutschen "Bild" die auflagenstärkste Zeitung Europas war, gibt ihre Stückzahl nicht mehr bekannt. Die "Daily Mail" meldete aber, sie habe den ewigen Rivalen überholt. Die "Sun" hatte zuletzt nur noch 1,2 Millionen Exemplare verkauft. Vor 20 Jahren war es dreimal so viel. Nun liegt sie wahrscheinlich knapp hinter der "Bild", die von 2000 noch 4,5 auf 1,2 Millionen abgebaut hat. Auch in der Schweiz ist der "Blick" seitdem von 250.000 auf eine gerade noch sechsstellige Verkaufszahl abgestürzt. Kein anderes Mediensegment leidet derart unter der Digitalisierung wie Boulevardblätter. Auch ihre stilverwandten jüngeren Rivalen, die Gratistageszeitungen verlieren. Der Wandel zu Online-Produkten treibt die Gesamtnutzerzahl zwar sogar in die Höhe, ist aber kein annähernd so lukratives Geschäftsmodell. Bei der "Bild" mutmaßte der "Spiegel" noch vor einem Jahrzehnt 40 Prozent Umsatzrendite. Schnee von gestern.
Die verkaufte Papierauflage der "Krone" hingegen ist seit 2000 nur um ein Drittel gesunken. Das liegt daran, dass sie schon lange mehr auf Abos als den Boulevard-typischen Straßenverkauf setzt. Folgerichtig haben nur Titel aus Wien mehr verloren als die "Krone" – infolge dortiger Gratiszeitungen. Diese wiederum haben für 2020 vorsorglich keine Auflage gemeldet. Die Inserate der Bundesregierung unterstützten also überproportional Blätter, bei denen nicht überprüft werden kann, wie viele es von ihnen gab und zum anderen jenes Boulevardkonzept, das ungeachtet des Vertriebs international längst in Frage steht. Der Bilanzwert der "Sun" wurde von ihrem Eigentümer Rupert Murdoch auf null gesetzt.
Peter Plaikner ist Medien-berater und Politikanalyst.