Ihre Nominierung als Gastgeberin der "Sommergespräche" war überfällig. Lag die lange Wartezeit an Ihnen oder dem ORF?
LOU LORENZ-DITTLBACHER: Das lag ausschließlich daran, dass ich vorher nicht gefragt wurde. Aber ich weiß auch nicht ob ich früher ja gesagt hätte, man muss das ja auch immer mit Blick auf das persönliche und berufliche Umfeld entscheiden. Es gab in den letzten Jahren für mich viele berufliche Herausforderungen wie die Konfrontationen der Nationalratswahl – in so einem Jahr geht sich das natürlich nicht aus. Aber ich bin eben auch nie gefragt worden.

Hat Sie das manchmal enttäuscht? 
Nein. Es hat mich nie enttäuscht, weil ich auch nie damit gerechnet habe. Mir ist bewusst, dass es ein ganz schwieriges Format ist und ich habe ja einen wunderbaren Job, in dem ich auch die Parteichefinnen und Parteichefs interviewen kann. Ich habe also nicht das Gefühl, dass ich unterfordert bin.

Könnten Sie den unterschiedlichen Aufwand skizzieren, den ein siebenminütiges Studiointerview in der ZIB 2 oder ein 50-minütiges Interview im "Sommergespräch" bedeutet?
Ich könnte zwar mit jeder Vorbereitung für ein ZIB 2-Interview jederzeit auch ein 50-Minuten-Gespräch machen. Immer. Die "Sommergespräche" leben aber stark davon, was die jeweiligen Interviewerinnen und Interviewer sich sonst noch zurechtlegen und es ist ein bunterer Strauß. Es soll ja keine "Pressestunde" sein, wo man nur aktuelle Themen abfragt. Es heißt ja "Sommergespräch" und nicht "Sommerinterview" oder "Sommerkreuzverhör". Es ist also ein Gespräch und es ist schon herausfordernd, wenn man sonst immer kontroversielle Interviews macht, zu definieren wie ein politisches Gespräch ausschauen könnte. Ich kann aus jetziger Sicht natürlich nicht sagen, ob es so aufgeht, wie ich mir das vorstelle, aber wenn es stellenweise aufgeht, wäre es schon eine Freude.

Derzeit läuft die Europameisterschaft und deswegen sprechen alle gerne in der Fußballsprache: Wie sieht er aus, Ihr Matchplan für die "Sommergespräche"? Wie genau lässt es sich planen, wie viel spontane Freiheit nimmt man sich? 
In den Wochen davor fließt einfach ganz viel ein: Ich lese sehr viel, etwa das Regierungsprogramm oder die Parteiprogramme, schaue und höre mir sehr viele Interviews an. Es geht um Inspiration. Ich rede mit Menschen, die den jeweiligen Parteien nahestehen, in diesen Parteien Positionen haben oder hatten, um auch das ausleuchten zu können. Dazu rede ich mit Journalistinnen und Journalisten. Da schreibe ich mir sehr viel auf, das ist reines Brainstorming, damit könnte niemand was anfangen und auch nur ich lesen (lacht) und daraus versuche ich dann gemeinsam mit der Redaktion einen Plan zu entwerfen. Die Redaktion unterstützt mich inhaltlich, das heißt wir schauen uns Themenkomplexe an, die Österreich und die Menschen im Land sehr stark bewegen. Es ist im Moment wirklich ein Aufsaugen, bevor ich einen konkreten Plan entwickelt habe. 

2010 folgte sie  Marie-Claire Zimmermann als ZIB 2-Moderatorin nach.
2010 folgte sie Marie-Claire Zimmermann als ZIB 2-Moderatorin nach. © ORF/Günther Pichlkostner

Würden Sie sich wünschen, dass die Interviews eigentlich stundenlang dauern und letztlich auf 50 Minuten zusammengeschnitten werden? À la "Frühstück bei mir" mit Claudia Stöckl?
Eigentlich nicht. Das funktioniert in ihrem Bereich sehr gut, im politischen Bereich braucht man auch diese Dokumentation von Nachdenkpausen. Fernsehen ist aufschlussreich, weil man sieht, wie Menschen mimisch reagieren. Würde ich nur rauskürzen, wo eine Aussage ist, dann würde sehr viel von dem Pingpong nicht gezeigt werden – dieses Pingpong ist aber oft aufschlussreich. Es ist interessant, warum Politiker und Politikerinnen Fragen nicht beantworten wollen oder oft passt ja auch die Antwort gar nicht zur Frage. Wenn man das nicht sendet, würde diesem Interview etwas fehlen.

Sie erhalten im September den Axel Corti-Preis, die Jury strich in der Begründung ihre "hartnäckige und kritische Interviewführung" hervor. Haben Sie den Eindruck, dass es schwieriger wurde mit Spitzenpolitikern Klartext zu reden? 
Ganz sicher. Die politische Kommunikation ist wahnsinnig professionalisiert, in den vergangenen Jahren hat sich das noch einmal zugespitzt. Es passiert den Politikerinnen und Politikern kaum etwas im Studio, es passieren kaum Zufälligkeiten. Sie kommen gut vorbereitet und sie haben die Antwort, noch bevor die Frage gestellt wurde. Das ist aus Sicht derer, die das Interview geben, legitim. Aber es ist auch legitim, aus unserer Sicht das zu hinterfragen und aufzumachen. Ich kann ja niemanden zwingen, etwas zu sagen, aber ich kann natürlich schon darauf hinweisen, dass Fragen nicht beantwortet wurden. Das ist wichtig, um das für das Publikum zu übersetzen. 

Ist es die Hoffnung, jemanden in einem 50.Minuten-Gespräch eher "knacken" zu können als im ZIB-Studio?
Die Hoffnung ist groß, aber ich weiß nicht, wie schnell sie sich erfüllen lässt. Es ist sicher das Hauptziel, dass ich die Interviewpartner überraschen kann und vielleicht einmal eine Antwort bekomme, die sie selbst vielleicht noch nie gegeben haben und auch die Menschen vor den Bildschirmen überrascht. Das wäre schön, würde mich freuen.

Die Gespräche finden auf der Terrasse der "Libelle" am Leopold Museum statt. Spielt die Location für den Verlauf des Gesprächs eine Rolle?
Mir war das sehr wichtig, wo die Sommergespräche stattfinden, es ist schon klar, dass man in der Pandemie nicht durch das ganze Land zieht, aber ich finde die Libelle ist der perfekte Ort, um ein Gespräch zu führen. Warum? Für die, die sich in Wien nicht so auskennen: Das MuseumsQuartier ist ein Treffpunkt, vor allem für junge Menschen, da wurlt es so richtig am Sonntagabend und es ist ein Treffpunkt, wo sich Menschen austauschen und öffnen. Wenn man oben steht auf der Libelle hat man einen Ausblick auf die ganze Stadt und die Gebäude, in denen die Entscheidungen für das Land getroffen werden. Dieser geweitete Blick ist das Motto, das ich mir für meine "Sommergespräche" gesetzt habe: Den Blick zu öffnen, nicht einzuengen auf einzelne Themen.

Was wird spannender: Die ersten "Sommergespräche" am 9. August oder die Wahl des ORF-Generaldirektors am 10. August? 
(lacht) Beides sehr spannend. Für mich, nehme ich an, der 9. August. Für Alexander Wrabetz wohl der 10.. Aber schauen wir einmal. 

Welche Gefühle haben Sie als ORF-Mitarbeiterin, wenn Sie an die ORF-Wahl denken?
Ich arbeite seit 22 Jahren im ORF, es ist, glaube ich, meine fünfte Wahl. Ich weiß, dass die ORF-Wahl immer ein Thema ist, das intern und extern sehr viele Analysen und sehr viele Gerüchte nach sich zieht. Für mich als Journalistin in dem Haus ist einfach wichtig, dass ich meine Arbeit machen kann, ohne Einfluss von außen – und wer auch immer diese Abschirmung im sechsten Stock bei uns sichert, der ist ein guter Generaldirektor oder eine gute Generaldirektorin. Das ist für mich als Journalistin der oberste Anspruch: unbeeinflusst, ohne Querschüsse und Angriffe arbeiten zu können. 

Lou Lorenz-Dittlbacher, geboren 1974 in Wien, begann ihre journalistische Laufbahn bei „wien1“, 1999 Wechsel zum ORF. Seit 2010 präsentiert sie die „ZIB 2“, heuer erstmals die „Sommergespräche“.
Privat: Sie ist mit dem ORF-Kollegen Fritz Dittlbacher verheiratet und lebt in Wien.