Schlimmer „Lügen“ und „gefälschter Dokumente“ habe sich die BBC bedient, klagte jetzt sogar Prinz William, der Herzog von Cambridge, bitter. „Äusserst besorgniserregend“ nannte der Zweite in der Thronfolge den Umgang des Senders mit der Wahrheit, auch im Bemühen um die Vertuschung der eigenen Aktionen. Williams jüngerer Bruder Harry, der in Kalifornien lebende Herzog von Sussex, fügte hinzu, leider seien „Praktiken wie diese“ im britischen Journalismus „noch immer weit verbreitet heutzutage“.
Williams und Harrys Empörung gilt dem Skandal um ein Programm, das die BBC als „Panorama“-Interview mit ihrer Mutter, Prinzessin Diana, Ende 1995 ausgestrahlt hatte. Das Interview, geführt von einem jungen BBC-Reporter namens Martin Bashir, erwies sich als regelrechter Coup für die Anstalt: Niemals zuvor hatte ein Mitglied des Königshauses sich so offen ausgelassen über andere Mitglieder der Familie und über die Monarchie.
23 Millionen Zuschauer verfolgten damals gebannt, wie Diana über die anhaltende Affäre ihres Gatten Charles mit seiner langjährigen Freundin Camilla Parker-Bowles berichtete; wie sie erklärte, es gebe „drei von uns“ in ihrer Ehe mit Charles; wie sie Mitarbeiter des Kronprinzen beschuldigte, eine heimliche Kampagne gegen sie zu führen; und wie sie Charles die Qualifikation fürs Amt des Monarchen absprach.
Damals lebten Diana und Charles bereits getrennt. Im Folgejahr sollten sich scheiden lassen. Bashirs Interview mit der „Prinzessin der Herzen“ aber machte den bis dahin kaum bekannten Journalisten zum Star der BBC. Bis die ersten Zweifel aufkamen. Hatte sich Bashir unlauterer Mittel bedient, um Diana zum Reden zu bringen? Eine interne Untersuchung von 1996, die das aufklären sollte, tat den Vorwurf jedenfalls entrüstet ab.
Der damalige Nachrichten-Chef der BBC, Tony Hall, der später als Lord Hall BBC-Intendant werden sollte, bezeichnete Bashir damals als „völlig geradelinig“ und „ehrlich“. Erst ein Vierteljahrhundert später wurde dieses Urteil revidiert.
Ein am Donnerstag dieser Woche veröffentlichter unabhängiger Untersuchungsbericht des früheren Top-Richters John Dyson belegt nämlich, dass Bashir seinerzeit Bankauszüge fälschte, um bei Dianas Bruder Charles Spencer den Eindruck zu erwecken, Mitarbeiter des Prinzen von Wales stünden im Lohn gewisser Medien, um Dianas Ruf zuschanden zu machen. Mit diesem Trick gelang es Bashir, über Spencer mit Diana in Kontakt zu treten für „sein“ Interview.
An einem Auftritt in der BBC war die Prinzessin zweifellos interessiert in jenen Tagen. Aber das Interview basierte auf Arglist, gefälschtem Material und suggestiven Tricks. Zur Rede gestellt, habe Bashir hinterher erst einmal dreist gelogen, fand Richter Dyson. Und die BBC habe die Sache gezielt verschleiert: Die Fakten hätten ihr durchaus bekannt sein müssen damals.
Im Anschluss an die Veröffentlich des Dyson-Berichts erklärte Prinz Harry, „die ganze Kultur der Ausbeutung und all die unmoralischen Praktiken“ im Medienbereich hätten seine Mutter 1997 letztlich das Leben gekostet. Diana war tödlich verunglückt, als der alkoholisierte Chauffeur des Playboys Dodi Fayed in Paris einer Gruppe Paparazzis im Eiltempo zu entkommen suchte und den Wagen gegen einen Untertunnelungs-Pfeiler fuhr.
Auch Diana-Bruder Charles Spencer, der den Anstoss zu der erneuten Prüfung der „Panorama“-Sendung gegeben hatte, sieht eine „klare Linie“ sich von dem BBC-Programm zum Tod seiner Schwester ziehen – schon weil Diana niemandem bei Hofe mehr vertraute und keinen offiziellen Schutz mehr genoss.
In separaten Äusserungen, im Rahmen einer neuen US-Serie zu psychischen Problemen, unterstrich Prinz Harry erneut, wie sehr ihn der Tod seiner Mutter getroffen hatte. „Jenes Trauma“, für das er weitgehend die britischen Medien verantwortlich macht, habe ihn Jahre später zu Alkohol und Drogen greifen lassen, „um nicht meinen Emotionen ausgeliefert zu sein“.
Das meiste Aufsehen erregte aber am Freitag der Zorn Prinz Williams, der sich sonst eher zurück hält mit persönlichen Kommentaren. William warf der BBC vor, „mit Hilfe reisserischer und falscher Behauptungen über die königliche Familie“ seiner Mutter „Ängste ausgenutzt und ihre Paranoia genährt“ zu haben. Die BBC habe bei der internen Untersuchung entsprechender Beschwerden eine „trostlose Inkompetenz“ an den Tag gelegt und ihre eigenen Befunde zu verschleiern gesucht.
Besonders bedrückend finde er, sagte der Prinz, dass seine Mutter so nie erfuhr, „wie man sie getäuscht“ hatte. Schuld an dem Skandal trage „nicht nur ein einzelner skrupelloser Reporter“, meinte er. Diese Schuld komme auch „all den Führungsfiguren bei der BBC zu, die wegschauten, statt harte Fragen zu stellen“. Kleinlaut bot BBC-Intendant Tim Davie den Royals und der weiteren Öffentlichkeit gestern „eine volle und uneingeschränkte Entschuldigung“ an.
Der Regierung Boris Johnsons reicht das allerdings nicht. Sie will nun die Anstalt von Grund auf „neu strukturieren“. Für die BBC kommt die Bashir-Geschichte zur ungelegensten Zeit. Immer gezielter suchen konservative Politiker, rechtsnationale Blätter und der Murdoch-Konzern das Ansehen des öffentlichen Senders, der ihnen zu liberal und in vielem zu kritisch ist, zu untergraben. Murdochs Times fährt fast täglich scharfe Attacken gegen die BBC.