Irgendwo ganz hinten bellt ein Hund, die Grillen zirpen, die Luft ist zum Schneiden dick, die Stimmung aufgeheizt. Das sieht man nicht, aber man spürt es: Georgia, eine der unzähligen Baumwollplantagen, auf der Sklaven nicht nur schuften bis zum Umfallen, sondern auf Gedeih und Verderb dem Besitzer ausgeliefert sind. Sie sind sein Eigentum. Und das wird er ihnen auch zeigen. Und sie werden zusehen müssen, wenn einer von ihnen, geflüchtet und eingefangen wie ein Tier, ausgepeitscht und angezündet wird, während daneben die feine weiße Tischgesellschaft speist.
Schon in der ersten Folge fordert Oscar-Preisträger Barry Jenkins ("Moonlight") die Zuschauer – und wird nicht damit aufhören. Er lässt einen nah herankommen an die Protagonisten, darunter die junge Cora (Thuso Mbedu). Man spürt die Verzweiflung, aber auch die Abstumpfung, die durch diese Mischung aus Macht, Unterdrückung und Gewalt förmlich in die Menschen gekrochen ist. Cora, von ihrer Mutter allein auf der Farm zurückgelassen wagt gemeinsam mit Caesar (Aaron Pierre) die Flucht. Es wird ein brutaler Wettlauf werden, doch werden sie jemals ankommen, dorthin, wo sie den Horror hinter sich lassen können?
Das Vehikel ist, wie auch in der mit dem Pulitzerpreis gekrönten Romanvorlage von Colson Whitehead, tatsächlich eine Eisenbahn, die, wie in einer anderen Welt, die dunkle unterirdische Nacht durchpflügt und Rettung verspricht. Historisch gesehen, war die "Underground Railroad" eine Ansammlung von Schutzhäusern und ein Netzwerk von Helfern. Schon die erste Station entpuppt sich für Cora und Caesar als Falle: Weiße, die scheinbar nur das Beste für die schwarze Bevölkerung wollen. "Haut ab!", möchte man schreien.
Das ist Grundmotiv, das sich durchzieht: Cora und Caesar sind auf der Flucht, ihnen auf den Fersen ein geradezu manischer Sklavenjäger namens Ridgeway (Joel Edgerton). In vielen Szenen kann man einen Bogen zum Heute ziehen: Wo auch immer sie aus der Bahn aussteigen, sie können dieser White-Supremacy-Gesellschaft nicht entkommen. Und, um den heutigen Kampf von Black Lives Matter zu verstehen, muss man die Geschichte kennen. Eine Geschichte, die Jenkins so intensiv erzählt, dass sie einen über weite Strecken sprachlos macht. Die zehn Folgen geben ihm viel Zeit, Szenen auszuerzählen und nicht verkürzt zu verdichten. Das sorgt vielfach für einen zusätzlichen emotionalen Nachhall und lässt einen noch intensiver in die Gefühlswelt der Charaktere eintauchen. Eines ist die Serie definitiv nicht: Sie ist keine Serie zum Bingen. Man braucht Zeit, um jede Folge zu verarbeiten. "The Underground Railroad" ist die Serie der Stunde.