90 Sendeteams innerhalb des größten Medienhauses des Landes haben sich dieser mittlerweile freiwillig angeschlossen. Eine erste Auswertung der ORF-Sendungen zeigt: Der Frauenanteil von 50 Prozent ist hinsichtlich der Moderation erreicht, bei den Protagonisten besteht mit 42 Prozent noch Aufholbedarf.
"Ich bin davon überzeugt, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist", meinte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bei einer Onlinepressekonferenz am Donnerstag. Etwas mehr als die Hälfte des ORF-Publikums bestehe aus Frauen. Es sei wichtig, dass diese sich genauso wie Männer mit dem Angebot des ORF identifizieren können, so Wrabetz. Dass so viele Redaktionen - darunter etwa der "Kulturmontag", "Am Schauplatz", "Thema", "Report", "Weltjournal" oder auch "Eco" - bereits mitmachen, zeuge von einem "hohen Bewusstseinsstand" der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Mit der Challenge wolle man hoch qualifizierten Expertinnen aus allen Bereichen eine Bühne bieten. Jedoch könne man etwa im Bereich der Politik, wo der Männeranteil höher ist, keinen Frauenanteil erzwingen. "Wir müssen auch die Realität abbilden. Dort, wo wir gestalten können, tun wir es auch", erklärte Wrabetz.
Frauenanteil beträgt 45 Prozent
Die Gleichstellungsbeauftragte des ORF, Katia Rössner, ist über das rege Interesse der Redaktionen an der "50:50-Challenge" erfreut. Zum Start der Initiative im Oktober des Vorjahres waren nur 30 Redaktionen und damit dreimal weniger als derzeit beteiligt. 3.500 Sendungen habe man mittlerweile ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass Ende März mehr als die Hälfte der teilnehmenden Sendungen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis hatten. Insgesamt liege man bei 45 Prozent Frauenanteil bei den teilnehmenden Sendungen, so Rössner. Das entspricht einer Steigerung von einem Prozentpunkt gegen Oktober. Der Frauenanteil bei den Protagonisten und Protagonistinnen - also jene Personen, die etwa für eine Sendung eingeladen oder befragt werden - liegt isoliert betrachtet bei 42 Prozent. Auch hier liegt eine Steigerung von einem Prozentpunkt gegenüber dem Challenge-Startzeitpunkt vor.
"Die Steigerung mag auf den ersten Blick enttäuschend sein, aber sie ist es nicht", sagte Rössner. So sei der Frauenanteil der teilnehmenden Sendungen in den ersten Monaten der Challenge gar gesunken. Das liege daran, dass vor allem Teams mit guten Werten zu Beginn am Start waren und später Sendeteams mit größerem Aufholbedarf an Bord kamen, die den Durchschnittswert drückten. "Hauptziel ist, dass ein Umdenken stattfindet", meinte die Gleichstellungsbeauftragte. Es handle sich um kein Statistikprojekt. Viel mehr gehe es darum, Sendeteams zu motivieren und dezentrale Entscheidungsfindung zu stärken, bekräftigte Wrabetz. Dennoch sollte es machbar sein, die "50:50-Challenge" in zwei bis drei Jahren zu erfüllen, hoffte der ORF-Generaldirektor. Nach einem Jahr wird evaluiert. Dann soll auch eine erste Publikumsreaktion gemessen werden.
Über 100 Organisationen nehmen teil
Die "50:50-Challenge" wurde vor vier Jahren von der BBC ins Leben gerufen. Mittlerweile nehmen daran über 100 Organisationen aus 26 Ländern teil, sagte Nina Goswami, Leiterin des Projekts bei der BBC. Mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Teams bei der BBC erfüllen den Frauenanteil bereits. Das komme laut Goswami auch gut beim Publikum an. 44 Prozent meinen einer Umfrage zufolge, dass sie nun größeren Gefallen an dem Angebot der BBC finden. Die britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat ihren Fokus auch auf Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund erweitert. Für den ORF ist eine derartige Ausweitung vorerst nicht geplant. Man wolle zunächst den Fokus auf Geschlechtergleichheit legen, sagte Rössner.