Es war einmal ein Teenie-Pop-Sternchen. Gefeiert, bewundert und mit Preisen überhäuft, war Britney Spears das, was man unter Miss American Dream versteht. Im Jahr 1998 wurde Spears mir ihrer Debütsingle „Baby One More Time“ weltberühmt. Doch es war nicht nur ihre Karriere, die einzigartig war, sondern auch ihre Zerstörung. Auf die Blitzhochzeit mit einem Jugendfreund und die Scheidung wenige Stunden nach der Trauung folgten wilde Partynächte und öffentliche Zusammenbrüche.
Ein Leben im Blitzlichtgewitter
Von der Boulevardpresse auf Schritt und Tritt begleitet, verliert Spears wenig später das Sorgerecht für ihre Kinder. Besuche sind nur noch unter Aufsicht möglich. Und dann folgt der große Knall. Im Jahr 2008 wird der einstige Superstar auf eine Trage geschnallt und ins Krankenhaus gebracht. Zuvor hatte sich Spears in ihrer Villa verschanzt und sich stundenlang geweigert, ihre Söhne Kevin Federline, dem Vater der Kinder, zurückzugeben. Selbst in diesem Moment wichen Spears die Paparazzi nicht von der Seite. Geht’s ums Geld, wird die Würde des Menschen ganz schnell zur Auslegungssache: „Von ihrem seelischen Wohlbefinden war nie die Rede, dafür ließ sich zu viel Geld an ihrem Leid verdienen“, sagt "New York Times"-Kritiker Wesley Morris.
Die „New York Times“ ist es auch, die eine neue Dokumentation über das Leben von Spears gedreht hat. In „Framing Britney Spears“ kommen ehemalige Weggefährten und Ex-Mitarbeiter zu Wort; ergründet wird, wie es zu dem kometenhaften Abstieg der heute 39-Jährigen kommen konnte.
Sexismus als Geschäftsmodell
In Zeiten von #MeToo verwundert es nicht, dass am Anfang dieser Geschichte die unentwegte Sexualisierung einer jungen Frau steht. Damals blieb der Aufschrei aus, als Britney von Journalisten unverhohlen über ihre Jungfräulichkeit oder eine mögliche Brustoperation befragt wurde. Auch Justin Timberlake kam damit davon, eine Karriere darauf zu begründen, seine Ex-Freundin Britney schlecht zu machen. "Die Art und Weise, wie die Leute sie behandelten, war, um es ganz Highschool-mäßig auszudrücken, als wäre sie die Schulschlampe und er der Quarterback", sagt Wesley Morris. Erst 20 Jahre nach dem Beziehungs-Aus entschuldigte sich Timberlake, heute 40, bei Britney Spears für sein Verhalten: Die ganze Industrie sei fehlerhaft, stelle Männer, vor allem weiße Männer, für den Erfolg auf.
Unter absoluter Kontrolle
Thema ist auch Vater Jamie Spears, der vor 13 Jahren die gesetzliche Vormundschaft für seine Tochter zugesprochen bekam. Er verfügt bis dato nicht nur über ihre Finanzen, Termine und Interviews, sondern auch über ihre Medikamente. Britney soll kürzlich verlangt haben, einen anderen Vormund zur Seite gestellt zu bekommen. Doch vor Gericht hat sie eine Niederlage erlitten. Seitdem formiert sich Widerstand. Unter dem Hashtag #FreeBritney hat sich in den sozialen Medien eine Bewegung gebildet. Fans der einstigen Pop-Prinzessin fordern quasi ihre „Freilassung“. Denn gesetzliche Vormundschaften betreffen in der Regel ältere Menschen mit Demenz oder schwer erkrankte Personen.
Angesichts dieser Tatsache erscheint es widersprüchlich, dass Spears trotz mangelnder Zurechnungsfähigkeit in den letzten Jahren weiterhin Musik produzierte, auf Tour ging und eine eigene Show in Las Vegas gestaltete. Über ihren Anwalt teilte die Sängerin mit, sie weigere sich aufzutreten, solange die Vormundschaft bestehen bleibt.
Viele offene Fragen
Die „New York Times“ versuchte, Britney Spears für ein Interview zu erreichen. Ohne Erfolg. Es sei unklar, ob sie die Anfragen erhalten habe, steht im Abspann der Dokumentation. Vergangenen Mittwoch meldete sie sich doch noch zu Wort. „Ich habe die Dokumentation nicht gesehen, aber von dem, was ich mitbekommen habe, war ich beschämt, ich schäme mich für das Licht, in das ich gerückt wurde", schreibt Spears auf Instagram. Ob das Statement tatsächlich von Spears stammt, ist ungewiss. Mit Sicherheit lässt sich nur eine Sache sagen: „Framing Britney Spears“ wirft viele Fragen auf – und befeuert ein Phänomen, das jetzt schon als dunkles Kapitel in die Mediengeschichte eingeht.
Katrin Fischer