Mit den 15-minütigen Sondersendungen, die Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf zur freien Verfügung gestellt bekommen, wenn sie in der Spielshow "Joko & Klaas gegen Pro Sieben" gewinnen, haben die beiden Entertainer schon einige Male für Aufsehen gesorgt. Die Fernsehunterhalter nutzten diese Carte Blanche, um auf Themen wie die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer oder sexuelle Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Mittwochabend haben sie aber das Bisherige noch weit übertroffen. Um 20.15 Uhr sprachen die beiden in der Anmoderation zwar wieder von 15 Minuten, was folgte, war aber eine unangekündigte Sondersendung bis tief in die Nacht, die das gesamte reguläre Programm von Pro Sieben verdrängte. Das Thema diesmal: die Situation des Pflegepersonals in Deutschland.
Die Pflegerin, die an diesem Fernsehabend zur Heldin wurde, weil sie die Arbeit eines ganzen Berufs zeigte, heißt Meike Ista. Über die Kamera, die sie sich umgehängt hatte, konnte man ihren Arbeitsalltag verfolgen: Ihre täglichen Routinen in der Intensivstation einer Klinik in Münster. Hautnah war man dabei bei diesem Knochenjob, der direkt am Menschen stattfindet. Dazu wurden Statements anderer Pflegerinnen und Pfleger eingespielt, die die ganze Misere des Pflegeberufs dokumentierten: Die schlechte Bezahlung, die immer knapper werdende Zeit, um die Arbeit noch gut verrichten zu können. Sie erzählen von Überlastung, Stress, davon, wie viele Leute ihren eigentlich heißgeliebten Job aufgeben müssen, weil sie die emotionale und körperliche Belastung nicht mehr ertragen. Die Folgen: der Nachwuchs bleibe aus, und der Zeitdruck werde immer schlimmer. Und zugleich die Pflege immer unzureichender.
Diese Geschichten vom Ausgebranntsein bildeten einen spannenden Kontrast zu Meike Istas Arbeitsalltag, den die junge Pflegerin mit viel Elan und unglaublich gutgelaunt absolviert. Für jeden hat sie ein nettes Wort, die Patientinnen werden liebevoll, aber halt in aller gebotener Eile betreut.
Corona war zwar wohl der Anlass zur Sendung, aber die Interviewten betonen, dass die Situation vor Corona auch nicht besser gewesen sei: Das Arbeiten am Anschlag sei Normalität geworden, die Arbeitssituation habe sich durch Sparprogramme, Umstrukturierungen und Privatisierungen in den letzten 20 Jahren verschlechtert - und besonders interessant: Es gäbe genug Intensivbetten, aber einfach zu wenig Personal.
Die beiden Entertainer Joko & Klaas waren nur zirka einmal pro Stunde eingeblendet, um zwei Sponsoren (die Versicherung CosmosDirekt und die Deutsche Telekom) zu danken, die die Sendung ermöglicht haben. Denn auch die gesamten üblichen Werbeblöcke entfielen während der stundenlangen Sondersendung, die bis gegen 3 Uhr früh lief. Erst nach fast sieben Stunden Pflegeschicht war Schluss.
Zahlreiche eingeblendete Unterstützungtweets belegten, dass man die Aufmerksamkeit auf diese vergessenen Systemerhalter lenkte. Ob das etwas an der Situation ändert, ist freilich offen. Oder wie es einer der Pflegekräfte ausdrückte: "Durch Corona hat die ganze Gesellschaft plötzlich auf uns geschaut. Und selbst dadurch hat sich unsere Situation nicht geändert." Zumindest Fernsehgeschichte hat Pro Sieben an diesem Abend aber geschrieben. Dank Joko & Klaas, dank Meike Ista und all den anderen Helden des Alltags.