Einen zeithistorischen Rückblick mit dem Kärntner Ort Sankt Kanzian als heimlichen Mittelpunkt Österreichs schildert der frühere ORF-Redakteur und langjährige ZIB-Moderator EugenFreund in seinem Buch "Bleib schön sitzen". Freund, der am 15. April 70 Jahre alt wird, schildert darin ein Aufwachsen in prekären Verhältnissen und Zeiten, welches später zum Ankerpunkt seiner Arbeitsaufenthalte in den USA wird. Früh betätigte sich der Sohn eines Arztes publizistisch, zum Schlüsselerlebnis wurde der Kärntner Ortstafelkonflikt 1972, als Freund sein Medizinstudium abbrach und stattdessen die dramatischen Ereignisse vor Ort als Reporter verfolgte.
Seit ihrer Kindheit nennt man Sie Pepsi. Warum eigentlich?
EUGEN FREUND: Es ist bis heute einigermaßen ungeklärt. Die einleuchtendste Erklärung, ist, dass es vom Wort „Baby“ kommt. Mit Eugen hat es ja nichts zu tun. Bei meiner Schwester Buscha, wie die slowenische Puppe, ist es schon einfacher. Da nehmen wir an, dass es eines der Mädchen, die bei uns gearbeitet haben, erfunden hat. So genau lässt sich das leider nicht mehr rekonstruieren. Der Name "Pepsi" ist mir bis heute geblieben.
Sie wuchsen unter einfachen Verhältnissen auf, lebten als Kind mehr oder weniger in der Ordination des Vaters. Zugleich lernten sie durch den Beruf ihres Vaters Künstler wie Maria Lassnig oder Friedensreich Hundertwasser kennen. Letzterer malte Sie, als sie fünf Jahre alt waren – wie kam es dazu?
Das ist zustande gekommen, so wie aus vielen Patientenbesuchen Bekanntschaften oder Freundschaften entstehen. Frau Stowasser war in einem kleinen Bauernhof einquartiert und der Sohn Friedrich, wie er damals noch hieß, saß dort und malte vor sich hin. Ich glaube, die Frau Stowasser hatte keine Krankenkassa und irgendwann kam es zur Frage, wie sie dann die Behandlung zahlen will. Mein Vater, der immer ein großzügiger Mensch war, hat dann gesagt: "Ich sehe ihr Bua kann ganz gut malen, soll er halt meinen Sohn malen." So kam er dann zu uns nach Hause und dort gab es den großen Ohrensessel und dann hießt es: „Bleib schön sitzen.“
Sie schreiben im Buch, dass Sie nach dem USA-Aufenthalt enttäuscht waren, weil sie nicht angekündigte Stelle beim ORF erhielten. Letztlich war es eine Empfehlung durch Helmut Zilk beim ORF, der ihre Anstellung möglich machte. Glauben Sie, dass solche politischen Empfehlungen heute auch noch möglich sind?
Das glaube ich nicht nur, das ist ganz sicher noch so. Mein Vorteil war natürlich, ich war schon im ORF und in New York nicht Taxifahrer. Es ist nicht so, dass ich keine Vorzüge aufzuweisen hatte.
Einmal fällt die Formulierung "im ORF wusste man nie" im Zusammenhang mit den internen Interessenslagen am Küniglberg. War der ORF zu ihren Zeiten eine Art Schlangengrube? Ein Begriff, der einem in dem Zusammenhang auch heute noch unterkommt.
Der Ausdruck "so schlecht war es noch nie" – mein Gott, wie oft habe ich den von Kollegen in den 40 Jahren beim ORF gehört. Es hat immer Zeiten gegeben, wo sich alle furchtbar über die Situation aufgeregt haben. Das kommt mit dem Haus mit, dieses ungute Gefühl. Aber institutionalisierte Schlangengrube ist sicher ein passender Ausdruck.
Was es Ihnen gebracht, die eigene Kindheit und Familiengeschichte aufzuarbeiten, zu sammeln, zu ordnen und auszuwerten?
Die Schriftstellerin Ljuba Arnautović hat vor einigen Tagen im Radio den schönen Satz gesagt, sie schreibe wider das Vergessen. Ein bisschen ist es mir auch so gegangen. Weil ich so wenig über meine Eltern gewusst und vieles erst später erfahren habe, nach dem Tod meines Vaters, war es mir wichtig, das festzulegen, damit meine Kinder wenigstens ein bisschen etwas über die Zeit erfahren, als ich jung war.