Es war eine Überraschung – und eine abgesagte Revolution, als sich im März 2018 die Schweizer mehrheitlich gegen die Abschaffung ihrer Rundfunkgebühren entschieden. Das klare Ergebnis (71,6 Prozent) täuscht über die Intensität der monatelangen und nicht nur in der Schweiz geführten "No Billag"-Debatte hinweg. Die SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) erlebte danach einen schmerzhaften Spar- und Reformierungsprozess.
"Diese Veränderungen waren das Ergebnis der Diskussionen, die im Vorfeld der "No Billag"-Abstimmung stattgefunden hatten", erklärt SRG-Generaldirektor GillesMarchand im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.
Nach der Abstimmung legte er drei Ziele fest: "Die Effizienz des Unternehmens SRG zu steigern, den Kontakt zum jungen Publikum zu verbessern und kooperative Beziehungen zu den privaten Medien zu verstärken." 100 Millionen Franken (90 Millionen Euro) wurden eingespart, weitere 50 folgen bis 2024. "Ohne Qualitätsverlust", betont Marchand mit Verweis auf unabhängige Analysen.
200.000 Kunden bei "Play Suisse"
Zugleich trugen Digitalisierungsmaßnahmen dazu bei, wieder jüngere Zielgruppen zu erreichen. Gelungen ist das durch ein Projekt, auf das Marchand besonders stolz ist: In nur wenigen Monaten wurde mit "Play Suisse" eine nationale Streamingplattform realisiert, "die das Beste aus allen SRG-Produktionen und -Koproduktionen anbietet, mit Untertitelung à la carte in unseren vier Landessprachen." Mehr als 200.000 Schweizer registrierten sich innerhalb von drei Monaten bei der Plattform, "was für die Schweiz ein hervorragender Wert ist". "Die SRG hat hier Innovation und Agilität bewiesen", freut sich der 59-Jährige.
Marchand, der seit 2017 die SRG führt, betont den internationalen Wettbewerb und baut einer neuerlichen "No Billag"-Debatte vor, wenn er sagt, "dass eine Schwächung der SRG nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Situation der privaten Medien führt." Hier sei noch viel Überzeugungsarbeit nötig, "schließlich ist der Wettbewerb international."
Schweiz hat drei Schritte Vorsprung
Was die Schweiz mit "Play Suisse" in kurzer Zeit umsetzen konnte, wird in Österreich mit dem "ORF Player" seit Jahren geplant. Auch sonst sind die Schweizer zwei Schritte voran: Die UKW-Übertragung wird 2022 aufgegeben und auf DAB+ umgestellt. Herausfordernd bleibt die Situation am Werbemarkt, wo es in der Coronazeit zu Millionen-Rückgängen kam. Die SRG werde darauf reagieren, in dem der Fokus noch stärker auf die Effizienz gelegt werde.
Begehrlichkeiten könnte der Blick österreichischer Medienhäuser auf die Schweiz wecken: Im Gegensatz zum ORF darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz auf ihren digitalen Angeboten keine Werbung verkaufen. Vielen Verlagen ist es ein Dorn im Auge, dass der Marktführer orf.at als Gratis-Plattform in Konkurrenz zu anderen journalistischen Angeboten steht.
Ein österreichisches Äquivalent für eine "No Billag"-Initiative fände auch in Österreich zahlreiche Anhänger. Aktuell befindet sich die Gebührendebatte in Österreich allerdings im Dornröschenschlaf. Wie nah das GIS-Ende schon war, belegen kürzlich geleakte SMS von Heinz-Christian Strache vom Februar 2019: "Lieber Sebastian, lieber Gernot! Ich muss bei ORF-Reform auf unser Übereinkommen bezüglich Abschaffung der GIS-Gebühren bestehen!"
Weil kurz darauf das Ibiza-Video die Regierung sprengte, blieb es bei der Willensbekundung. Spätestens mit der Novelle des ORF-Gesetzes wird die GIS-Debatte aber wieder zurückkehren.