Seit Jahren vermehren sie sich wie prächtig gedeihender Sauerteig: Fernsehkrimis. Das Genre, so scheint es, ist auch abseits der „Tatortisierung“ nicht umzubringen. Wie wunderbar mutig Fernsehen sein kann, beweist der deutsche Genrefilm „Jackpot“ von Emily Atef („Drei Tage in Quiberon“). Die Filmemacherin inszeniert nach einem Buch von Frédéric Hambalek großes Kino auf Leben und Tod. Maren (brillant: Rosalie Thomass) hätte sich ein bisschen Glück im Leben verdient. Sie hat ihre Haftstrafe abgebüßt und jobbt bei einem Abschleppdienst. Sie rackert sich ab. Und trägt ihren an den Rollstuhl gefesselten Freund (Friedrich Mücke) täglich huckepack mehrere Stockwerke hinauf. Diese Frau weiß, was sie will. Ein Glücksfall im Einheitsbrei der klischeeversalzenen Drehbuchlandschaft.
Eines Tages entdeckt sie in einem falsch geparkten Wagen eine Sporttasche mit 600.000 Euro darin.
Sie zögert, nimmt das Geld schließlich. Damit könnte sie nun endlich die Therapie für ihren Freund zahlen. Der möchte nichts davon wissen, erzählt es ihrem Chef. Der wiederum wird deswegen bedroht. Bonnie & Clyde im 21. Jahrhundert verkriechen sich in der Suite eines Autobahn-Hotels, wo sie sich Essen aufs Zimmer bestellen und vom Comeback ihres Liebesglücks träumen. Aber das Geld fehlt andernorts - dem Gangster Karoske (furchteinflößend: Thomas Loibl), einem Geldeintreiber der übelsten Sorte, der dennoch liebender Familienvater ist und ein neues Leben starten will.
Ohne Kommissarinnen und Kommissare geht's auch
Atef skizziert ohne moralinsaures Gut-Und-Böse-Schema einen spannenden Genre-Thriller mit fantastischer Figuren-Einführung, furiosem Ensemble und der Erkenntnis, wozu Menschen der Liebe wegen imstande sind. Und das Allerbeste: „Jackpot“ kommt ganz ohne Kommissare und Kommissarinnen und ihren Empfindlichkeiten aus.
"Jackpot": Mi, 20.15 Uhr, ARD sowie in derMediathek