Stellen Sie sich vor, Sie sprächen mit einer Heranwachsenden: Vielleicht diskutieren Sie mit ihr über Medienkonsum. Über Miss- und Vertrauen. Eventuell haben Sie auf den öffentlichen Auftrag des ORF und die Geschäftsgrundlage von Privatfernsehen verwiesen. Allenfalls, um zu erklären, warum Sie Rundfunkgebühr zahlen. Womöglich, um zu erläutern, weshalb derart finanzierte Informationen den höchsten Standards entsprechen müssen. Gegebenenfalls haben Sie hinzugefügt, dass allein solche Qualität manch privatwirtschaftliches Medienhaus gut ernährt. Unter Umständen haben Sie überdies gesagt, dass diese Herausforderung wichtig ist für den Wettbewerb auf einer schiefen Ebene mit jährlich 640 Millionen für den ORF und einen kleinen Bruchteil davon für seine gesamte Konkurrenz.
Schließlich hat Ihre Heranwachsende gefragt, wozu sie das brauche. Sie haben geantwortet, weil es wichtig sei, zu erfahren, was wichtig ist. Unwichtiges gebe es genug – von YouTube und Instagram bis Snapchat und TikTok (Sie sind selbst auf Facebook und Twitter, also ließen Sie das aus). Und dann haben Sie sich mit ihr am Freitag – wie 1,65 Millionen andere – vors TV-Gerät gesetzt, um zu erklären, warum die „Zeit im Bild“ vielleicht nicht mehr das Lagerfeuer der Nation, aber immer noch der stärkste tägliche Bewegtbild-Nachrichtenverteiler im Staat ist. Das demonstrative Gähnen Ihrer Heranwachsenden hat Sie aber abgehalten, ihr das Durchschnittsalter 60+ für diese Sendung zu gestehen. War letztlich auch unnötig, denn die Spitzenthemen „Covid-19 als Todesursache Nr. 1“ und „Ermittlungen gegen Pilnacek“ fand sie spannend. Aber „Comeback der ORF-Erfolgssendung Starmania“ als Top-Meldung Nr. 3 hat sie dann nicht mehr verstanden. Ist das wirklich wichtig?
Nein. Es ist unwichtig und inakzeptabel. Der ORF betreibt schon mehr als andere öffentlich-rechtliche Sender Werbung für sich im eigenen Programm. Darüber lässt sich streiten. Unstrittig ist, dass „Starmania“ keine Meldung in Nachrichten wert ist, die uns den Tagesüberblick zum Weltgeschehen geben sollen. Anders als etwa „Seitenblicke“. Wenn dort dann aber noch Innenminister Karl Nehammer eine unkritische Auftrittsfläche wegen zwei Polizisten bei „Starmania“ erhält, ist endgültig Schluss mit lustig. Falls AlexanderWrabetz erneut als ORF-General kandidieren will, soll er das tun. Dass er davor seine Bilanz aufpolieren will, ist zulässig. Aber der Missbrauch von Informationssendungen zur Bewerbung einer unterhaltsamen Eigenproduktion erschüttert die Gebühren-Legitimation. Das ist kein gutes Argument für die Wiederwahl von Wrabetz.