Diese ORF-Premiere ist eine gefühlte Wiederholung: Als die ARD Ende November Ferdinand von Schirachs „Gott“ ins Fernsehen brachte, wurde das Thema Sterbehilfe auch in Österreich breit diskutiert. Die ethische Elementarfrage hatte einen hochaktuellen Anker: Zwei Wochen nach der Ausstrahlung kippte der österreichische Verfassungsgerichtshof das Verbot der Beihilfe zum Selbstmord. Eine richtungsweisende Entscheidung.
Das perfekte Timing? Mitnichten. Unter dem Eindruck des Wiener Terroranschlags vom 2. November hatte der ORF einige Wochen vor der geplanten Ausstrahlung überhastet entschieden, seine „Gott“-Ausstrahlung zu verschieben. Die „geballte gesellschaftliche Belastung verunmöglicht jenen Diskussionsraum, den dieses besonders wichtige Thema verdient“, lautete damals die Begründung von ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner. Die Argumente waren redlich, unterschätzten aber einerseits die Dynamik der Diskussionen und andererseits die Bedeutung des Themas Sterbehilfe. Die logische Folge: Die öffentliche Diskussion um die die Verfilmung von Schirachs Theaterstück fand trotzdem statt - ob der ORF den Film nun zeigte oder nicht.
Mit der Verschiebung auf den 4. März brachte das Gerichtsdrama nicht nur leichtfertig um seine Aktualität, er entfernte zudem die charakteristische Abstimmungsmöglichkeit für das Publikum. Stattdessen sehen die ORF-Zuseher also ein neutrales Ende dieser packend ausbalancierten Geschichte über einen 78-Jährigen (gespielt von Matthias Habich), der sterben will. Der Wegfall der Abstimmungsmöglichkeit nimmt dem Schirach-Projekt seine Singularität und gliedert es in Systematik gewöhnlicher Gerichtsfilme.
Die Gründe, das Drama zu verschieben, erwiesen sich aus heutiger Sicht leider als wenig glaubwürdig und mutlos: Wie sonst ist zu erklären, dass der Film an einem Werktag still und heimlich um 22.30 Uhr gezeigt wird? Die Ergänzung um ein "Am Schauplatz Gericht Spezial" um 21.05 Uhr ist ein Trost, aber ein schwacher. Offenbar war dieses "besonders wichtige Thema" dann plötzlich doch nicht mehr so wichtig.
Nachsatz: An der ARD-Umfrage nahmen mehr als 500.000 Menschen teil. 70,8 beantworteten folgende Fragen mit "ja": „Unter welchen Umständen darf man einem Menschen helfen, sich das Leben zu nehmen? Muss der Staat selbstbestimmtes Sterben ermöglichen? Soll Herr Gärtner das tödliche Medikament bekommen?