Es wird weltweit kaum einen Verleger oder Medienminister geben, der diesen Konflikt nicht gebannt verfolgt. Australien schickt sich in diesen Tagen an, zum Role Model für die digitale Medienbranche zu werden. Zuerst gilt es gegen einen Internetgiganten anzukommen.
Auslöser des Streits mit Facebook ist ein vom australischen Unterhaus verabschiedetes Gesetzesvorhaben, das den Nachrichtenmarkt regulieren und am Dienstag dem Senat vorgelegt werden soll: Ziel ist es, den Internetgiganten Google und Facebook Nutzungsgebühren vorzuschreiben, wenn sie auf ihren Plattformen journalistische Inhalte australischer Medienhäuser verbreiten. Damit sollen jene, die redaktionelle Inhalte produzieren, stärker von den Werbeeinnahmen profitieren, die Facebook und Co. mit diesen Inhalten generieren. Profitieren würde davon in Australien vor allem einer: ausgerechnet Rupert Murdoch, der in den letzten Jahrzehnten massiv zur Medienzentrierung in seinem Heimatland beigetragen hat. Vom einen Monopolisten soll das Geld in die Tasche des nächsten wandern.
Facebook reagierte auf die Ankündigung mit der Brechstange und ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Seit letzter Woche blockiert der Konzern in Australien den Zugang zu journalistischen Inhalten. Und nicht nur das: Nebenbei sperrten die Algorithmen im Überschwang die Seiten von Polizei, Feuerwehr und mehreren Regierungs- oder Suizidpräventionsstellen. Das Unternehmen sprach von einem Versehen. Es könnte allerdings auch ein kurzes Muskelspiel gewesen sein: Seht, was wir uns erlauben können.
"Der Fall Australien zeigt, dass es den großen Tech-Plattformen nicht um die Freiheit des Netzes geht", erklärte VÖZ-Präsident Markus Mair zu Recht. Ebenso wenig geht es Facebook um die Inhalte: Nachdem der Konzern jahrelang Beiträge von Holocaust-Leugnern auf seiner Plattform toleriert hatte, rang sich Mark Zuckerberg im Oktober endlich zu einem Verbot durch. Warum? Weil der Druck zu groß wurde. Was die Causa zeigt: Für Facebook ist alles content. Private Nachrichten, journalistische Analyse, Holocaust-Leugnung. Vielleicht fällt es dem Unternehmen auch deswegen so schwer, zu verstehen, warum für journalistische Arbeit gezahlt werden soll.
Mit dem Buhmann im Bett
Der Imageschaden der Australien-Frage ist für Facebook noch gar nicht abzuschätzen. Im Gegensatz zu Alphabet (Google) wählte Mark Zuckerbergs Konzern den Weg der Konfrontation. Für die australischen Medienhäuser steht viel am Spiel und sie haben wohl mehr zu verlieren, als zu gewinnen. "Niemanlab" untersuchte die ersten 24 Stunden nach Inkrafttreten der Facebook-Maßnahme: Demnach gab der Gesamttraffic deutlich nach und jener, der über Facebook verbreitet wird, um 95 Prozent. Die geringere Verbreitung von redaktionellen Inhalten auf Facebook trifft die Verlagshäuser hart: Für viele gelten Facebook und Google als wichtiger Anker, um Nutzer auf ihre eigene Seite zu bringen. Fehlt der Anker, bleiben Nutzer aus, was sich wiederum negativ auf die Reichweite und damit auf die Werbeerlöse auswirkt.
Facebook ist mehr als nur ein Unternehmen. Es steht synonym für die Plattform-Idee und gilt als Buhmann, und das - in einer Debatte, die von fehlender Differenzierung geprägt ist - nicht immer zu Recht. Der anonymen Großmacht aus Kalifornien mit seinem Teflon-Chef eignet sich als idealer Punching Bag: Wer auf Facebook einschlägt, hat wenig zu befürchten.
Das mag als Erklärung für das ambivalente Verhältnis zwischen den Medienhäusern und dem sozialen Netzwerk dienen. Die Australien-Causa ist die Aufkündigung eines inoffiziellen Deals zwischen Facebook und den Verlagen mithilfe der Regierung. Ein Deal, der beiden Seiten jahrelang in die Karten spielte und ein Ungleichgewicht ignorierte: Hier der global auftretende Konzern, der mit Online-Werbung Milliarden abschöpft und dort die einzeln auftretenden und journalistisch arbeitenden Häuser, die (zu) lange die Gratismentalität bedienten und die sozialen Netzwerke als notwendiges Übel der Zeit akzeptierten. Der Konflikt zwischen Facebook und Australien ist das jüngste Kapitel im Ausfechten dieses Verhältnisses. Kommt es zum Eklat, könnte es das entscheidende Kapitel werden.
Es gibt nur einen Weg
Das ambivalente Verhältnis zwischen Medien und Facebook zeigt sich am Beispiel des ORF. Anfang 2019 kündigte der öffentlich rechtliche Sender an, seine Präsenz auf den Plattformen deutlich reduzieren zu wollen. ORF-Online-Chef ThomasPrantner kündigte damals ein wenig zu großspurig an, "die kostenlose Promotion für Facebook in TV, Radio und Internet massiv reduzieren" zu wollen. Tatsächlich wurden einige Facebook-Seiten wie orf.at geschlossen. Das jüngste Strategiepapier des ORF bis 2025 spricht mittlerweile eine völlig andere Sprache: Tatsächlich soll Social Media neben den klassischen Rundfunkkanälen zur dritten Säule ausgebaut werden.
Für viele Verlagshäuser passt die Kosten-Nutzen-Rechnung im Umgang mit den Plattformen längst nicht mehr. Zugleich ist die Alternative, diese Verbreitungswege zu meiden, nur für wenige gangbar: Wer kann es sich schon leisten, dort nicht präsent zu sein, wo besonders viele junge Menschen ihre Informationen erhalten?
Die Verlagsbranche befindet sich auf einem Scheideweg und sollte aus dem Konflikt mit Facebook die richtigen Schlüsse ziehen. Nach staatlicher Intervention (siehe Australien) zu rufen, ist möglich, aber wenig konsequent. Die massive Abhängigkeit, in die sich die Branche geworfen hat, würde damit nicht kleiner sondern sogar noch größer. Während Facebook auch ohne Newsinhalte - oder mit eigenen beziehungsweise ausgewählte - gut leben kann, müssen die Zeitungen, Magazine oder Rundfunkanstalten selbstbewusster mit den eigenen Inhalten umgehen. Und sich damit aus der kalifornischen Umklammerung befreien.