Ob sich ChristophKotanko wirklich bewusst war, worauf er sich einlässt? Den Einpeitscher für seine neue TV-Diskussionssendung „Links. Mitte. Rechts.“ gab Senderchef FerdinandWegscheider höchstpersönlich: In seinem Format "Der Wegscheider", das als Satire firmiert, teilt er gegen die Medien-Konkurrenz aus, wirft der Politik systematische Angstmache vor und wiederholt gebetsmühlenartig, es würde sich um eine „Plandemie“ handeln - also eine bewusst herbeigeführte Pandemie. Angreifbar macht sich Wegscheider mit diesen streitbaren Aussagen nicht, es sei doch alles nur "Satire".
Wie sah sie nun aus, die Premiere des großen Quotenangriffs von "Links. Rechts. Mitte" auf „Im Zentrum“ in ORF 2? Fünf Journalisten sitzen um einen Tisch, ein Faßmann passt nicht zwischen sie, ein Babyelefant auch nicht, ein Bernhardiner ginge sich immerhin aus. Die Runde besteht aus Arrivierten und Ehemaligen: Kotanko war Chefredakteur bei „Kurier“, Herbert Lackner Ex-Chefredakteur des „profil“, dazu Rubina Möhring von „Reporter ohne Grenzen“, Gudula Walterskirchen (Herausgeberin der "Niederösterreichischen Nachrichten"), und „Weltwoche“-Chefredakteur Roger Köppel. Lackner und Möhring sollen das linke Meinungsspektrum repräsentieren, Walterskirchen und Köppel das rechte.
Der Schweizer Nationalratsabgeordnete (SVP) Köppel bringt sofort an, wofür er eingeladen wurde: seine Kernbotschaften. Mit den verantwortungslosen Lockdowns sperre die Politik die Bürger ein. Stattdessen müssen man stärker auf die Eigenverantwortung setzen. Auch dürfe der Schutz der Gesundheit nicht alles rechtfertigen, der „Weltwoche“-Chef spricht in dem Zusammenhang von “Verhältnisblödsinn“: „Die Therapie darf nicht schlimmer sein als die Krankheit“. Hart geht Köppel mit den Medien ins Gericht. Diese seien zu unkritisch gegenüber der Corona-Politik.
RubinaMöhring sitzt als Präsidentin von „Reporter ohne Grenzen“ und als Journalistin am Tisch. Sie kritisiert, dass die Politik es nicht schaffe konsequent genug zu sein. Auch dürfe sie keine falschen Versprechungen machen, die dann nicht einzuhalten sind. Die Regierung habe es im Sommer verabsäumt, sich auf die weiteren Wellen der Pandemie vorzubereiten.
GudulaWalterskirchen („Niederösterreichischen Nachrichten“) stellt in Frage, ob es nicht andere Möglichkeiten als Lockdowns gäbe. Im Land gebe es mittlerweile eine gesellschaftliche Krise und eine Wirtschaftskrise und eine Demokratiekrise. Dazu habe die Politik laut Walterskirchen viel beigetragen, sie wirf der Regierung Willkür vor: „Es kann nicht sein, dass man die Bürger mit 100 Verordnungen, die keiner mehr durchblickt, verwirrt und sich gleichzeitig eine Regierung nicht an die Verfassung und die eigenen Gesetze hält.“ Sie ortet ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.
Streit um "Corona-Diktatur" als Kampfbegriff
Den Integrationsbeauftragten gibt HerbertLackner, ehemaliger Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „profil“: „Da gibt es eine Ampel, Herr Köppel, ich weiß nicht ob sie das wissen,..“, erklärt Lackner dem Schweizer das Prinzip der Coronaampel. Auch sonst gibt sich Lackner ausgleichend: „Wir müssen uns vor Augen halten, so eine Pandemie gab es seit mehr als 100 Jahren nicht mehr.“ Wenig Freude hat Lackner mit der spitzbübischen Freude, mit der Köppel von der „Corona-Diktatur“ spricht und genüsslich polemisiert. In Österreich wisse man, was eine Diktatur sei, die Pandemie und ihre Gegenmaßnahmen seien keine Diktatur, so Lackner der anfügt, Köppel wäre ein guter Festredner für die Corona-Demonstranten in Wien.
Der Schweizer widerspricht nicht. Stattdessen spricht er der Politik die Legitimation ab, ein Geschäft oder ein Hotel zu schließen, um die Pandemie einzudämmen. „Warum machen die Politiker das? Aus einem Mangel an Mut.“ Niemand traue sich die Verantwortung einzugehen, dass im eigenen Land mehr Menschen sterben könnten als in einem anderen Land. Die Gesundheitskrise rechtfertigt die wirtschaftlichen Einschnitte nicht.
„Ich bin ein großer Fan der Tiroler“
Dann kommt die Sprache auf Tirol und Tiroler. Wie ist die Lage einzuschätzen? Lackner spricht von vielen „Reserve-Andreas-Hofer in Tirol“, die sich aktuell meldeten. Köppel bekennt: „Ich bin ein großer Fan der Tiroler“, das seien „Alpenrebellen“. Überhaupt genießt der „Weltwoche“-Chefredakteur seine Rolle. Eloquent gibt er mit spitzen Aussagen das Zugpferd, ganz im Sinne des Sendungs-Einpeitschers Wegscheider. Noch einmal spannend wird es, als Köppel einen Frontalangriff auf den ORF starte, der eine Form indirekter Parteispende sei. „Und dieser Herr Wolf ..“, setzt Köppel an. Doch Kotanko ahnt offenbar den drophenden Niveauabfall voraus und wechselt geschickt das Thema.
„Links. Rechts. Mitte“ war bei seiner Premiere seriöser, als es der Vorgänger „Corona Quartett“ vermuten ließe. Die Diskussion blieb, mit mündiger Gelassenheit von Kotanko geführt, sachlich und auf besserem Stammtischniveau. Man darf unverbindlich bleiben: Weil hier niemand politische Verantwortung, niemand Fachexpertise im Bereich der Pandemiebekämpfung mitbringt oder im besonderen Sinn von der Pandemie betroffen ist, bleibt das Forum irgendwo zwischen der Nicht-Verantwortlichkeit hängen.
Quote hat Luft nach oben
Ob sich der ORF mit "ZiB 2" und „Im Zentrum“ vor dieser Konkurrenz fürchten muss? Die "ZiB 2" kam am Sonntag im Schnitt auf 694.000 Zuschauer, "Im Zentrum" auf 592.000. Der Servus-Talk kam auf durchschnittlich 77.000 Zuschauer. Da dürfte man in Salzburg auf mehr gehofft haben.