Die gemeinnützige Rechercheplattform "Dossier" widmet sich in ihrer aktuellen Ausgabe dem gesamten Imperium von Red Bull. Detailreich werden die für den Gesamterfolg maßgeblichen Teilaspekte ausgerollt: Von der erstaunlich wenig bekannten Biografie von Dietrich Markwart Eberhart Mateschitz (der Geburtsname), zum Dosen-Produkt, seiner hoch erfolgreichen Expansion, dem einmaligen Sport-Sponsoring, Zweifel am gesundheitlichen Wert von Energydrinks, dem harten Umgang in rechtlichen Fragen, den erfolgreichen Sportablegern bis zum Medienimperium Red Bull Media House. Das "Milliardenhobby" von Mateschitz reicht von ServusTV bis zu diversen Magazinen und Vermarktungsplattformen. Während sich die Red Bull- beziehungsweise Servus-Medienschiene in den letzten Jahren erfolgreich entwickelte, ist das Bild, das die "Dossier"-Recherchen ergeben, wenig schmeichelhaft für den Konzern und seinen Mitbegründer.
Er agiere als ein Diktator, "der wie Cäsar den Daumen hebt und senkt", wird ein Ex-Mitarbeiter zitiert, heißt es in dem von Georg Eckelsberger verfassten Beitrag. Nach Aussage mehrerer Redakteure gebe es im Sender eine inoffizielle Regel: Dietrich Mateschitz nennt man nicht beim Namen, auch wenn sein Wille allgegenwärtig ist. Stattdessen heißt es, "er will" auch "der Sender" möchte dieses oder jenes. Ein anderes Prinzip, das ein ehemaliger "Addendum"-Mitarbeiter formuliert: "Wir waren die unabhängigste, aber auch die abhängigste Redaktion." Mateschitz gibt, Mateschitz nimmt. Ein anderer Ex-Redakteur drückt es so aus: "Mateschitz hat kein Interesse am Journalismus, er glaubt, man muss den Menschen die Wahrheit sagen, und die Wahrheit ist das, was er glaubt."
Detailliert widmen sich die "Dossier"-Recherchen in Bezug auf das Medienimperium von Red Bull ab 2016. Damals machte Mateschitz den erfahrenen Fernsehmacher FerdinandWegscheider zum Intendanten des qualitativ hochwertigen, Millionen Euro verschlingenden und im Bereich der Marktanteile auf der Stelle tretenden Senders ServusTV. Damals wurde das bewusst unpolitische Medienprojekt, das sich im Bereich der Naturwissenschaft und Kultur profilierte, kantiger und politischer. Wegscheider "forderte Nachrichten mit Biss", heißt es von ehemaligen Mitarbeitern. Die Zuspitzung nahm mit den Jahren zu, ServusTV trat selbstbewusster auf.
"Da mache ich es vorher selbst kaputt"
Interessante Hintergründe liefert die Rechercheplattform zu den Vorgängen im Mai 2016, als Mateschitz den Sender schließen wollte, nachdem ein Mitarbeiter ein Rundmail mit einer Umfrage bezüglich eines Betriebsrats versandt hatte. Dazu erzählt ein Ex-Mitarbeiter über die Prämisse, die hinter dem Verhalten des Geldgebers stand: "Das ist mein Spielzeug, ich lasse es mir nicht kaputtmachen. Da mache ich es vorher selbst kaputt." Schnell war die Betriebsratsidee vom Tisch, Mateschitz ließ sich zum Weitermachen überreden. Das Misstrauen blieb: "Du musst schon sehr aufpassen, mit wem du über was redest, es herrscht eine Misstrauenskultur", sagt ein weiterer Ehemaliger aus dem Redakteursteam.
Aufschlussreich sind die "Dossier"-Recherchen auch in Bezug auf das jüngst eingestellte Rechercheprojekt "Addendum", das jährlich zehn Millionen Euro gekostet haben soll, den Milliardär dabei allerdings nicht zufriedenstellte, wie Niko Alm, ehemaliger Geschäftsführer von "Addendum", erklärt: "Letztendlich haben wir ihm wahrscheinlich nicht den ideologischen Unterbau dafür geliefert, was er für Wahrheit hält." Das Verhältnis zwischen dem Sender ServusTV und der "Addendum"-Redaktion soll nicht friktionsfrei gewesen sein. Nicht nur weil das wichtigste Diskussionsformat "Talk im Hangar-7" an die Rechercheplattform ausgelagert wurde. Auch ein schwelender Konflikt zwischen "Addendum"-Geschäftsführer MichaelFleischhacker und Wegscheider wird angedeutet. Ein Konflikt, in dem es letztlich um die Gunst von Mateschitz geht und den Wegscheider vorerst gewann. Fleischhacker ist aber weiter "Talk im Hangar"-Gastgeber.
Während für "Addendum" weitgehende Unabhängigkeit der Redaktion sichergestellt war, werde bei jüngeren Projekten zunehmend "von oben" durchgegriffen. Der Widerspruch der Redakteure bleibt ungehört, Sendungen wie das "Corona Quartett", das bewusst Corona-Verharmloser wie Sucharit Bhakdi ins Zentrum stellte, der zum Masken-Verzicht aufrief, prägen heute das Bild des Senders.
Das Red Bull Media House wurde um eine Stellungnahme zu den "Dossier"-Recherchen geben, möchte die Berichterstattung aber nicht kommentieren.