Herr Ammon, Sie sind bei Sky zuständig für die fiktionalen Eigenproduktionen. Wie sehr hat Sky vom Corona-Streamingboom profitiert?
Marcus Ammon: Die Menschen haben mehr Zeit Zuhause verbracht und damit auch verstärkt Entertainmentinhalte genutzt. Das hat sich auch in der Nutzung unserer Programme widergespiegelt.
Wie schnell kann man als großes Unternehmen auf diese Krise reagieren?
Wir haben sehr schnell reagiert und gleich im ersten Lockdown unser Entertainmentangebot auch für Nicht-Entertainmentkunden freigeschaltet. Das wurde von unseren Kunden honoriert. Und nachdem Produktionen wieder erlaubt waren, haben wir mit diesen sehr schnell wieder begonnen. In Österreich etwa mit „Ich und die Anderen“. Bedingt durch einen Ausfallsfonds, den die österreichische Regierung sehr frühzeitig aufgestellt hat, konnten wir im Juni schon wieder weiterdrehen. Die zweite Staffel von „Der Pass“ haben wir auch bereits abgedreht. Im Verlauf des vergangenen Jahres haben wir zusätzliche Dreharbeiten aufgenommen: Etwa für „Paradiso“ und die dritte Staffel von „Das Boot“. Bei allen Produktionen genießt die Gesundheit und Sicherheit aller Beteiligten natürlich die höchste Priorität.
Wie klar sind bei Sky die beiden Bereiche Sport und Entertainment getrennt? Darf man sie sich wie zwei Inseln vorstellen, die zwar unter einem Dach sind, aber nichts miteinander zu tun haben?
Es gibt eine enge und sehr kollegiale Zusammenarbeit. Beispielhaft seien Programmtrailer im Sportumfeld genannt. Und während der Fußball freien Zeit im Sommer – die gibt es ja nicht nur wegen Corona, legen wir den Fokus stärker auf unseren Entertainment-Bereich. Auch da arbeiten wir eng mit den Kollegen vom Sport zusammen: Wo können wir uns gegenseitig bewerben und unterstützen?
Mussten Sie aufgrund der Krise geplante Serien auf Eis legen, weil sie nicht mehr zeitgemäß erschienen?
Nein, das mussten wir glücklicherweise nicht.
Bei Netflix betont man gerne, dass das Programm stark von Algorithmen und Nutzerdaten beeinflusst ist. Wie ist das bei Sky?
Wir betrachten das mehrdimensional, zum einen nutzen wir auch Marktforschungsdaten, zum anderen spielt aber auch die Erfahrung und das Bauchgefühl unseres Programmteams eine wichtige Rolle. Das ist meiner Ansicht nach entscheidend um Innovatives zu schaffen. Man muss auch mal den Mut haben, unbekanntes Terrain zu betreten, um die Chance auf einen großen Erfolg zu haben.
Die Historien-Serie "Bridgerton" brach bei Netflix alle Rekorde. Muss man als Konkurrent auf diesen Zug aufspringen?
Unser Ziel ist es, etwas Eigenes zu kreieren. Aber natürlich beobachten wir auch den Markt ganz genau. Mit unserem bisherigen Weg mit der Marke Sky Originals waren wir sehr erfolgreich, darauf werden wir zukünftig weiter aufbauen.
Wenn wir uns auf die Suche nach dem „The Next Big Thing“ begeben – worauf darf man sich bei Sky demnächst freuen?
Die Serie „Ich und die Anderen“ feiert bei der digitalen Berlinale Anfang März ihre Premiere vor Fachpublikum und startet dann im Laufe des Jahres bei uns exklusiv auf Sky. Es war für mich ein Herzenswunsch, mit David Schalko zu arbeiten – „Braunschlag“ ist bis heute eine meiner Lieblingsserien. „Ich und die Anderen“ ist eine Produktion, die völlig außergewöhnlich daherkommt. Auch, wenn ich mich mit der Aussage aufs Glatteis begebe, aber so etwas wie diese Serie gab es im deutschsprachigen Fernsehen noch nicht! Dann zeigen wir die zweite Staffel von „Der Pass“. Weitere Serien, die bei uns in der Pipeline sind, bei denen das Ausstrahlungsdatum aber noch nicht feststeht, sind „Paradiso“, das auf dem Roman „Bestattung eines Hundes“ von Thomas Pletzinger basiert, und die Serie „Souls“. Zudem haben wir die Produktion des Sky Originals „Die Ibiza-Affäre“ angekündigt – naturgemäß mit großem Österreich Bezug. Und auch mit „Das Boot“ und „Babylon Berlin“ geht es in neue Staffeln.
Gibt es für Sie ein Buch oder ein Thema, das Sie, auch wenn es Unmengen kostet, gerne verfilmen würden? So wie Amazon Prime gerade Herr der Ringe umsetzt?
Wir schauen uns immer wieder sogenannte IPs an. Das können Buchreihen sein, das können alte Filmreihen oder Events sein. Aber wir haben bisher noch kein Buch definiert, von dem wir sagen, das wird jetzt verfilmt.
Durch die Partnerschaft mit HBO konnte Sky in den vergangenen Jahren Hits wie „Game of Thrones“ zeigen. Über Vertragsdetails schweigt man gewöhnlich: Wissen Sie, wann der Vertrag mit HBO endet?
Wir haben einen laufenden Vertrag mit HBO, das ist entscheidend für unsere Kunden. Unabhängig davon planen wir, und damit meine ich die gesamte Sky Gruppe, unsere Eigenproduktionen signifikant zu erweitern. Im Rahmen der im letzten Jahr angekündigten Entertainmentoffensive haben wir neben der Verdoppelung der deutschen Sky Originals in den kommenden Jahren die Verlängerung wichtiger Filmdeals verkündet und zudem für dieses Jahr den Start vier neuer Sendermarken angekündigt. Unsere Kunden dürfen sich also auf jede Menge Highlights freuen.
Im April startet "The Nevers", eine die Science-Fiction-History-Dramaserie von HBO, auf Sky:
Von welcher Serie aus Ihrem Angebot waren Sie selbst verwundert, dass sie funktioniert?
„Chernobyl“. Ich weiß noch, als ich von der Idee hörte und zuerst skeptisch war. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, war mir aber bewusst: „Wenn das so emotional rüberkommt, wie es hier beschrieben ist, dann kann das was werden.“ Dann wurde es eine Koproduktion von HBO und Sky und hat seinen Siegeszug durch die Welt angetreten. Dass „Chernobyl“ so ein großer Erfolg war, ist einfach toll.
Bleibt, wenn Produktionen wider Erwarten nicht funktionieren, manchmal ein „Wir können es uns nicht erklären“ zurück?
Erfolg ist nur bis zu einem gewissen Grad planbar und das ist auch gut so. Denn dadurch bleibt die Branche innovativ und wir können uns auch über Überraschungserfolge freuen.
Marcus Ammon ist Senior Vice President Original Production bei Sky Deutschland
Susanne Rakowitz & Daniel Hadler