Dass dieser Jahresbeginn mit der Angelobung von Joe Biden als dem 46. US-Präsidenten am 20. Jänner spannend werden könnte, lag auf der Hand. Wie turbulent ihr Start als ORF-Korrespondenten in Washington werden würde, ahnten Thomas Langpaul und Inka Pieh aber nicht, als sie für dieses Antrittsfoto vor dem Kapitol posierten. Langpaul, der die Büroleitung von Hannelore Veit übernahm, stand am Mittwoch nach dem Sturm aufs Weiße Haus in der „ZiB Spezial“ und für alle News vor der Kamera und analysierte die Situation.


Am Tag davor haben die beiden der Kleinen Zeitung Fragen zu ihrem neuen Job und zur Ära Trump beantwortet. „Vier Jahre in einem der mächtigsten Ämter der Welt haben aus ihm keinen Staatsmann gemacht, auch der Abschied wird daran nichts ändern“, sagt der 55-Jährige, zuletzt Vize-Chef der ZiB-Innenpolitik.


„Seine Zeit war geprägt von einem sehr großzügigen Umgang mit der Wahrheit. Das hat mit seiner Behauptung begonnen, mehr Zuschauer bei seiner Inauguration gehabt zu haben als Barack Obama vor ihm – was viele Aufnahmen widerlegt haben, und endet mit der Behauptung, er habe die Wahl eigentlich gewonnen und sei um den Sieg betrogen worden – wofür es überhaupt keinen Beleg gibt“, sagt Langpaul. Und: „Diese Bereitschaft von Politikern, sich eine sogenannte alternative Wahrheit zu schaffen, in der sie selbst zum Helden werden, sehen wir nicht nur in den USA.“ Konsequenz: „Dem Journalismus kommt dabei die Aufgabe zu, mit Fakten dagegenzuhalten.“


Langpaul, in Wien geboren, zog als Kind mit seinen Eltern für einige Zeit nach Dayton, Ohio. Als Korrespondent nach Washington zu gehen, war ein langersehnter Traum. „Ich bin sehr glücklich, dass es diesmal geklappt hat.“ Die Politik der USA sei so widersprüchlich wie das Land selbst. „Einerseits hoch technisch und innovativ, andererseits sehr altmodisch und traditionell. Dieses Nebeneinander von Gegensätzen finde ich immer interessant.“ Erst recht in der „spannenden Umbruchphase“ nach diesem historischen Tag, sagte er gestern, kurz bevor er um 19.30 Uhr in die ZiB zugeschaltet wurde.


Von Joe Biden erhoffe er sich eine „Rückkehr zu einer gewissen Normalität“. Also: weniger Lügen, weniger erratisches Verhalten. „Ich erwarte mir, dass sich die USA wieder stärker an internationale Verträge gebunden fühlen, dass sie ihre Rolle als westliche Supermacht wieder annehmen und akzeptieren, dass viele Probleme der Welt nur gemeinsam zu lösen sind.“ Was er aus der Heimat im Gepäck hatte: „Ein Fotoalbum mit Bildern meiner Familie. Ganz altmodisch und nicht digital. Sonst waren recht viele Schutzmasken in meinem Koffer.“


Zum ersten Mal einen Fuß auf US-amerikanischen Boden setzte Inka Pieh im Alter von fünf Jahren bei einer Rundreise mit ihrer Familie zu den Niagarafällen, dem Grand Canyon und „einem Besuch bei meinem ausgewanderten Onkel in New York“, berichtet die frühere Ö3-Journalistin und Chefin vom Dienst. „Ich war vor allem beeindruckt von der immensen Diversität, die dieses Land zu bieten hat – und als Fünfjährige auch von Disneyland“, sagte sie.


„Als Tochter eines Polen und einer Slowakin, die vor dem Kommunismus in die westliche Welt geflüchtet sind, war das Verhältnis zwischen Ost und West immer faszinierend“, so die 33-Jährige, die schon immer Auslandskorrespondentin werden wollte. „Es ist für mich eine riesige Herausforderung, wenige Tage nach meiner Ankunft schon über so historische Ereignisse berichten zu dürfen. Ich blicke voller Spannung auf die nächsten Tage und Monate.“ Neben der Tagespolitik hoffe sie, dass auch genügend Zeit für Themen wie „indigene Völker, den Umgang mit Schusswaffen oder das kollektive Trauma des Rassismus“ bleiben werde.
Schon nach der Ankunft habe sie eine geladene Stimmung zwischen Trump-Fans und Biden-Anhängern erlebt.

Aber: „Alles kein Vergleich zu dem, was sich dann mit dem Sturm aufs Kapitol oder der Ausgangssperre abgespielt hat“, sagte Pieh gestern in ihrer Mittagspause. „Ich bin gespannt, wie der künftige Präsident nach diesem Putschversuch seinen Plan umsetzt, Amerika zu heilen – wie er es angekündigt hat.“ Wie hat sie sich auf den Job vorbereitet? „Gelesen, gelesen, gelesen.“ Dazu Podcasts, Dokus und ein Austausch mit Menschen, die in den USA leben oder lebten. Die eine oder andere US-Politserie könnte auch darunter gewesen sein. Pieh zählt „The Americans“ und „Homeland“ zu ihren Favoriten. „.Ich liebe Spionage- und Geheimdienst-Thriller und beide Serien haben mich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht.“ Auf ihrer Bucket List für Washington steht also auch das Spy Museum ganz oben - sobald es wieder geöffnet ist. Und Langpaul schätzt „House of Cards“ sehr. „Einer meiner Vorgänger, Hanno Settele, hat in dem Haus gewohnt, von dessen Dach eine der Einstellungen für die Anfangssequenz gedreht wurde.“ Außerdem - als leichtere Kost - „Veep“. Und als Film die „Iden des März“.