„Bitte um Rückruf“ lautete 1995 der Inhalt der ersten SMS-Nachricht, die in Österreich auf einem Handy versandt wurde. Es war die Geburtsstunde des Short Message Service, just in einem Jahr der Zeitenwende: GPS war angekommen, Microsoft eroberte mit Windows 95 den Globus, die DVD begann ihren Siegeszug, das Wochenmagazin „News“ verkaufte wöchentlich noch mehr als 270.000 Ausgaben (heute ca 71.000), Sony brachte die erste Playstation auf den Markt und nebenbei wurde Österreich 1995 zum EU-Mitglied. Letzteres und die Relevanz von GPS gelten noch heute, andere einstige Erfolgsgeschichten sind längst Teil der Medien- und Technikhistorie.
Matthias Karmasin, Kommunikationswissenschaftler an der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt, sieht im Rückblick auf die letzten 25 Jahre drei Schlüsselphänomene der Medienentwicklung: Neben der Digitalisierung und der damit verbundenen Möglichkeit der Datenübertragung war die Vernetzung ein zentrales Element des Wandels: „Da war am Beginn das, was man Internet nennt. Und ist aktuell das, was man Social Media nennt.“ Als drittes Schlüsselphänomen beschreibt Karmasin die Konvergenz: Höhere Speicherkapazitäten und besser Mikroprozessoren führten zur Entstehung leistungsstarker Endgeräte, allen voran des Smartphones.
Die Konsequenzen dieser Entwicklungen haben den Medienkosmos neugeordnet. Der Nutzer wurde dank Smartphone zum Produzenten, Copyright-Fragen verlangten nach neuen Antworten, Piraterie forderte das Musik- und das Filmgeschäft heraus, Soziale Medien veränderten die Kommunikation, Fake News boomen und klassischen Medien wird durch Facebook und Co. das Finanzierungsmodell infrage gestellt sehen.
Österreich als Medien-Albanien
Die österreichische Fernsehlandschaft erlebte eine digitale Transformation – Stichwort DVB – und eine sehr späte Öffnung für Privatsender: Erst im Jänner 2000 läutete der ATV die Ära bundesweiter Privatfernsehsender ein. 2008 folgte Puls4, 2009 ServusTV. Das ORF-Monopol war damit gebrochen, an der Marktbeherrschung durch den öffentlichen rechtlichen Rundfunk hat sich nichts geändert. Die TV-Tagesreichweiten blieben konstant: 66,7 Prozent waren es 1995, 66,4 Prozent 2019.
Deutlich steigerte sich die durchschnittliche TV-Nutzungszeit: von 140 Minuten (1995) auf 196 Minuten (2019). Die Verteilung des Zeitkuchens der Zuschauer dynamisierte sich: Jederzeit verfügbare On-demand-Anbieter überholten bei den Jungen klassische Sender. Voraussetzung dieser Entwicklung: Die Zahl der Internetnutzer stieg von 1,2 Millionen (2000) auf knapp acht Millionen heute. Insgesamt verbringen die Österreicher täglich 532 Minuten mit Medien, ergab eine Umfrage des Vereins Media Server unter 5000 Befragten.
Der Medienwandel hinterließ Spuren, auch an der Sprache. Bewegtbilder und Nutzer lösten Video und Seher ab. Die (Nicht-)Linearität wurde zur Trennlinie zwischen Generationen, während Messenger Dienste die Kommunikation neuordnen und Podcasts für das große Comeback der Hörmedien sorgen. Wer bei Telegram an Papier denkt, wird im dynamischen Diskurs diskriminiert.
Vom Gatekeeper zum Gatewatcher
Auch die Rolle des Journalismus habe sich in dieser Zeit geändert, insbesondere durch die Vernetzung auf Plattformen wie Facebook, betont Karmasin: „Die Rolle des Journalismus ist sicher nicht mehr der Gatekeeper zu sein, sondern der Gatewatcher geworden.“ Medien bleiben demnach eine die relevant Säule, so lange sie glaubwürdig agieren: Zuletzt stieg, laut jüngstem Digital News Report, das Vertrauen der Österreich in österreichische Nachrichten wieder an. Zugleich dünnten sich die Redaktionen in den vergangenen Jahrzehnten erheblich aus: Mehr als 5000 Vollzeitstellen gingen im österreichischen Journalismus verloren. Künftig stelle sich die Frage, ob „Qualitätsjournalismus“ nicht als öffentliches Gut behandelt werden sollte. Karmasin überrascht das nicht: „Der Medienmarkt war schon immer ein Prototyp für Marktversagen.“
Österreichische Spezifika blieben durch den Technologiesprung unangetastet: Auch heute noch ist die heimische Printlandschaft stark ausgeprägt und zugleich durch einen hohen Boulevard-Anteil gekennzeichnet. Die Entpolitisierung des ORF blieb konsequent ein Stückwerk. Zudem sei Österreich, verweist Karmasin auf internationale Studien, „immer noch ein Hochrisikoland der Medienkonzentration“.