Wegen der Corona-Probleme ging es sich nicht aus. Nämlich, den Operettenfürsten Franz Lehár anlässlich seines 150. Geburtstages (30. April) auf den ORF-Bildschirmen zeitgerecht zu feiern. Das ist erst jetzt möglich. Als Sonntagsmatinée sendet ORF 2 heute zunächst die Spieldoku „Franz Lehár – Immer nur lächeln“ (10.45 Uhr) und danach (11.40 Uhr) das Konzert „Dein ist mein ganzes Herz“, aufgezeichnet im Theater an der Wien.
In der Doku verkörpert die Grazerin Aglaia Szyszkowitz eine Journalistin, die von Meister Lehár (gespielt von Wolfgang Hübsch) mehr über sein Leben erfahren möchte, im Konzert singen Opern-Weltstars wie Camilla Nylund, Piotr Beczala und Michael Schade, unter der Stabführung von Manfred Honeck, der die Wiener Symphoniker dirigiert, einige der unwiderstehlichen Lehár-Melodien.
Thomas Macho zeichnet, als Regisseur und Produzent, für beide Produktionen verantwortlich. Im Hilton am Wiener Stadtpark stellte er sich mit den Herren Beczala und Schade zur Fragestunde.
Herr Beczala, Herr Schade: Sie singen beide ja an sich nur große Oper. Wie waren Ihre ersten Reaktionen, als dieses Angebot kam?
Piotr Beczala: Richtig, ich bin kein Operettenspezialist, habe lediglich „Das Land des Lächelns“ einmal durchgesungen. Ansonsten sang ich mich quer durch Lehárs Repertoire, aber nur mit einzelnen, teils auch ziemlich unbekannten, Liedern. Die Idee für dieses Projekt aber fand ich großartig, empfand sie als Glücksfall. Nur ergab sich ein logistisches Problem. Wegen Corona saß ich in Polen fest. Alles war zu. Wie konnte ich es logistisch schaffen, rechtzeitig nach Wien zu kommen? Ein gütiges Geschick sorgte dafür, dass die Grenze just am Tag der Show im Theater an der Wien wieder geöffnet wurde. Ich saß im ersten Auto, das durchfuhr.
Michael Schade: Mein diesbezügliches Problem war kleiner. Ich musste es nur vom siebenten Wiener Gemeindebezirk, wo ich wohne, in den sechsten ins Theater an der Wien schaffen. Es wurde gerade Frühling, und irgendwie war es ein Traum, dort wieder mit einem Orchester auftreten zu dürfen. Vorher, in der tiefsten Corona-Krise, war ich einmal in Melk, wo ich ja für die Internationalen Barocktage verantwortlich bin, und hörte im Autoradio Aufnahmen mit einem Syphonieorchester. Da fragte man sich sehnsüchtig, wann und ob das alles wiederkommen würde. Auf einmal diese Chance. Ein Stück Hoffnung. Noch dazu mit so grandiosen Kollegen. Im Theater an der Wien fühlte ich mich dann wie ein Kind vor dem Christbaum.
Wie haben Sie diese Produktionen auf die Beine gestellt, Thomas Macho?
Thomas Macho: Diesbezüglich war Corona fast ein Glücksfall. Denn drei Künstler dieser Preisklasse, die Symphoniker und Manfred Honeck als Dirigent – ich weiß nicht, ob wir uns das zu einem anderen Zeitpunkt hätten leisten können. Wunderbar war dann die große Begeisterung, mit der alle am Werk waren.
Aglaia Szyszkowitz als Journalistin geht auch hartnäckig auf politische Hintergründe ein. Schließlich war Franz Lehár einer der Lieblingskomponisten von Adolf Hitler. Lehár antwortet immer ausweichend. Was war die Basis für das Drehbuch?
Thomas Macho: Die zwei hervorragenden Lehár-Biographien von Stefan Frey. Und Klaus Mann, der 1945 bei Lehár in Bad Ischl war, um ihn zu interviewen. Viele seiner Fragen werden auch im Film gestellt. Ich persönlich denke, dass Lehár politisch überhaupt nicht beeinflusst war. Außer Schutz für seine jüdische Frau Sophie hat er ja von den Nazis nie etwas gebraucht. Er ist ansonsten total in seiner musikalischen Welt aufgegangen, ließ sich nicht vereinnahmen, hat sogar Türen im Schikaneder-Schlössl in Wien zumauern lassen, um nicht gestört zu werden. Ob das seiner Frau gefallen hat?
Piotr Beczala: So was kennt man ja auch von anderen großen Künstlern, die in ihren Arbeitsprozess so fokussiert waren, dass sie die politischen Benützungsprozesse gar nicht mitgekriegt haben. Die dunkelste Seite etwa eines Benjamino Gigli war, dass er so sehr für Benito Mussolini plädiert hat.
Fallen Ihnen im Zusammenhang mit Franz Lehár irgendwelche amüsante Geschichten ein?
Michael Schade: Ich habe in Paris einmal in einer neuen Produktion der „Lustigen Witwe“ mitgewirkt, habe den Camille gesungen, der in einem seiner Lieder ein berühmtes hohes C zu singen hat. Es war gerade Weihnachtszeit, und eine Tante kam, um auf die Kinder aufzupassen. Aus der Kollektion ihres verstorbenen Mannes brachte sie mehrere exzellente Flaschen „Cheval Blanc“ mit, und es gab an diesem Abend ein wunderbares französisches Nationalgericht, Chapon de Brese, zu essen. Nun trank ich zu diesen Zeiten keinen Tropfen Alkohol, vor allem nicht, wie an diesem Tag, weil ich am nächsten Abend Vorstellung hatte. Was soll ich sagen? Ich ließ mich überreden, auf zwei bis drei Gläser. Am nächsten Abend also Vorstellung. Zufällig traf ich tags darauf meinen Kollegen Roberto Alagna. Der war hellauf begeistert, gratulierte mir. Er habe in der Airport-Lounge Teile der Vorstellung gesehen und nie zuvor ein so schönes hohes C gehört. Aha, dachte ich, vielleicht war’s der „Cheval Blanc“. Was dazu führte, dass mir vor der nächsten Vorstellung auf einmal fürchterliche, fast panische Gedanken kamen. Weil keine Flasche „Cheval Blanc“ in der Nähe war. Eine andere Lehár-Geschichte gab es im Zusammenhang mit einer „Fledermaus“ in der Staatsoper.
Nämlich?
Michael Schade: Ich trat als Gast mit Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“ auf. Stand bei der Generalprobe, ebenso wie Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg, mit Frack auf der Bühne, und legte los. Auf einmal: Lachen aus dem Zuschauerraum. Lautes Lachen. Bestimmt fünf Minuten lang. Es war Hellsbergs Mutter. Ich war total verwirrt. War ich so schlecht gewesen? Erst später erfuhr ich den Grund. Es war der Text. Ich hatte ihn total durcheinander gebracht. . .
Wenn Sie die Chance hätten, heute Franz Lehár etwas zu fragen, was würde Sie besonders interessieren?
Thomas Macho: Ob es wirklich was bringt, die Türen zuzumauern.
Piotr Beczala: Warum er seine Opern-Ambitionen nicht weiterentwickelt hat. „Das Land des Lächelns“ ist für mich ohnehin Oper im Dreivierteltakt. Vielleicht hätte er, der einen sehr guten Draht zu Giacomo Puccini besaß, „Turandot“ zu Ende komponieren können. . .
Michael Schade: Einem berühmten Komponisten eine Frage stellen, hm. Na ja, ich habe einmal Philip Glass gefragt, warum er eine gewisse Passage so und so komponiert hatte. Er schaute mich ratlos an und meinte: „Hm, keine Ahnung. Ich hab’s halt geschrieben.“ Nach dieser Erfahrung habe ich beschlossen: Wenn ich je wieder einen Komponisten etwas frage, dann nur, ob er mir eine tolle Rolle schreibt. Aber, na gut: Mit einem Franz Lehár überhaupt reden zu dürfen, das wäre wie ein Ritterschlag gewesen.
Wird es in absehbarer Zeit ein ähnliches Komponisten-TV-Projekt wie dieses geben?
Thomas Macho: Ja. Durch Corona haben wir auch in Bezug auf den 150. Geburtstag von Oscar Straus Verspätung. Das werden wir schnellstens nachholen.
Luigi Heinrich