Danach ist die adrette, braunäugige Dame unangenehm berührt: „Ich bin von mir selbst enttäuscht. Wie kann man so was machen?“ Ähnlich selbstkritisch eine andere Teilnehmerin: „Ich habe viele verletzt, auch mich selbst.“ Beide sind Freiwillige eines bemerkenswerten Sozial-Experiments zum Thema Diskriminierung, das am Mittwochabend (20.15 Uhr) im Rahmen eines „Dok 1-Spezial“ in ORF 1 zu sehen ist.
Die Grundidee ist einfach: Die Teilnehmer eines Workshops werden entsprechend ihrer Augenfarbe in zwei Gruppen geteilt, Blauäugige und Braunäugige. Das Experiment beginnt bereits in der Anmeldeschlange, wo der erfahrene Experimentleiter Jürgen Schlicher den raffinierten Manipulator gibt: Braunäugige werden hofiert, Blauäugige gedemütigt. Im eigentlichen Workshop wird das Spiel auf die Spitze getrieben: Mit Gerissenheit bringt er die beiden Gruppen gegeneinander auf, führt Vorurteile ein und lässt sie von den Teilnehmern bestätigen, während die Diskriminierten mit unterschiedlichen Strategien – Aufbegehren oder Fügung – auf ihre Unterdrückung reagieren.
„Blueeyed“ nennt sich die Methode dieses Workshops, der in den 60er Jahren nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. in den USA entwickelt wurde. Im Kontext der „Black Lives Matter“-Proteste nach dem Tod von George Floyd entschied sich die „Dok 1“-Redaktion, das Experiment ins ORF-Fernsehen zu übertragen, erklärt „Dok 1“-Gastgeberin Lisa Gadenstätter, die mit dem Psychologen Reinhard Haller und mit Esther Maria Kürmayr, Obfrau des Vereins Schwarze Frauen Community, in einem Nebenraum Platz nimmt, um die Dynamik der Diskriminierung zu analysieren. Gedreht wurde unter strenger Einhaltung der Coronaregeln, alle Teilnehmer wurden vorab einem Test unterzogen.
Ihr habe das Experiment die Augen geöffnet, auch wenn das zu Beobachtende nicht immer angenehm gewesen sei, erinnert Gadenstätter: "Als ich während des Workshops mehr zu mir selbst als zu meinen Experten gemeint habe: 'Ich halte das fast nicht aus'. Da hat Esther Maria Kürmayr mich angelächelt und gesagt: 'Ich verstehe Sie. Aber bitte halten Sie es noch diese eine Stunde aus, dann ist es für Sie ja vorbei. Ich muss das seit 53 Jahre aushalten und für den Rest meines Lebens'. Da habe ich erst wirklich verstanden, was Diskriminierung für Betroffene bedeutet."
Für das Hauptabendprogramm wurde eine rund 80-Minuten gekürzte Version des Experiments aufbereitet. Eine Langversion ist im Nachtprogramm ab 0.25 Uhr zu sehen.