Wer in Fulda in Osthessen war, hat den Aschenberg gesehen. Ein Hügel, weithin sichtbar, auf dem Beton-Hochhäuser in die Luft ragen und der als sozialer Brennpunkt lokal als „Wodka-Berg“ bekannt ist. Zehn Monate lang ließ das ZDF dort für eine sechsteilige Serie filmen. Das Besondere daran: Der öffentlich-rechtliche Sender begibt sich mit einer Sozial-Doku in das sonst nur vom Privatfernsehen bespielte Genre. Und: Im linearen, klassischen ZDF-Programm wird „Aschenberg“ nie zu sehen sein, produziert wird die aufwendige und mit Herz gedrehte Reihe ausschließlich für die ZDF-Mediathek.
„Online first“, online zuerst, lautet das Schlagwort, unter dem ARD und ZDF in immer größerem Tempo ihre Produktions- und Ausspielungsbedingungen an die Sehgewohnheiten der Zuschauer beziehungsweise Nutzer anpassen. Jörg Schönenborn, bei der ARD für fiktionale Inhalte zuständig, spricht von einem Paradigmenwechsel: „Wir denken nicht länger zuerst in linearen Sendeplätzen, sondern konsequent zuerst in Inhalten und Projekten“.
Die Konzentration auf den Bereich Streaming wird von der Ausnahme zum Programm. Großprojekte wie die Wiesn-Serie „Oktoberfest 1900“ (ab 8. September) oder die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ (ab 11. Oktober) werden durchgängig zuerst in der ARD Mediathek und erst dann im linearen Fernsehen zu sehen sein. Die Mockumentary „How to Tatort“, die das neue Bremer „Tatort“-Team bei den Vorbereitungen begleitet, wird ausschließlich online einsehbar sein. Damit stellen die Sender ihren Fokus grundlegend um und begeben sich in direkten Wettbewerb mit den großen Streamingdiensten.
In Österreich verhindert das ORF-Gesetz eine Ausspielung von „online first“ oder „online only“, um die TVthek beziehungsweise den seit Jahren geplanten ORF-Player gegenüber der neuen Konkurrenz von Netflix und Co. konkurrenzfähiger zu machen. Abhilfe sollen die bereits von der alten Regierung angestrebten neuen rechtlichen Rahmenbedingungen liefern. Allgemein wird erwartet, dass es noch im Herbst zu einer Novelle des ORF-Gesetzes kommt.