"Eine relativ neue Unterhaltungsindustrie setzt im Zuge ihrer Expansion auf ein immer größeres Angebot und vergisst dabei auf die Qualität." Das klingt vertraut? Gemeint ist die amerikanische Videospielindustrie (die in der Mitte der 1980er einen kapitalen Bauchfleck hinlegte) und nicht etwa die Streamingwelt, die mit Dokuserien wie "High Score" beweist, dass der seit Jahren prognostizierte Ermüdungsbruch in dieser Branche noch fern liegen dürfte.
Man darf, muss aber kein Videospiel-Enthusiast der ersten Stunde sein, um an "High Score", dieser feinen sechsteiligen Netflix-Miniserie, Freude zu haben. Was bei Zuschauern an nostalgiegetränktem Gaming-Vorwissen fehlt, wird mit universal nachvollziehbarer Leidenschaft wettgemacht. Möglich ist das, weil Computerspiele viel über die Natur von Sieg und Niederlage zu erzählen haben. Und wer "High Score" sieht, erkennt, dass auch die Geschichte der Branche ein ewiger Wettstreit ist, der Megaerfolge wie "Pac-Man" und "Super Mario" oder feierliche Desaster wie "E.T." mit einschließt.
"High Score" ist voller liebevoller Anekdoten: Tōru Iwatani erinnert sich, dass ihm die Idee zu "Pac-Man" beim Pizzaessen kam. Tomohiro Nishikado gibt Einblick in seine analogen Konzeptbücher für "Space Invadors". Und ein Spiele-Enthusiast erzählt, wie er mit 17 seinen Traumjob bei Nintendo bekam, wo er als "Game Counselor" den Spielern (und seltener Spielerinnen) telefonisch hilfreich zur Seite stand.
Letztendlich trägt "High Score" zur Rehabilitierung einer Branche bei, die noch immer darum kämpfen muss, ihr Schmuddelimage abzulegen. Zum einen, in dem die Serie auf die Bedeutung von Idee, Narrativ, Sound oder Design verweist. Zum anderen, weil sie das Individualvergnügen als Teil eines Kulturguts verortet.
Zum Abschluss eine Warnung: Die Lust, wieder einmal den Klempner Mario über den Bildschirm jagen zu lassen oder es mit "Tetris" Steine rieseln zu lassen, zählt ganz klar zu den charmanten Nebenwirkungen dieser neuen Dokuserie.