Anthony Horowitz hat die Lizenz für große Detektiv/Agenten-Geschichten. Sogar die Nachlassverwalter von Sir Arthur Conan Doyle haben ihm 2011 die Erlaubnis für einen neuen Sherlock-Holmes-Roman gegeben. Seit 2014 schreibt er auch James-Bond-Romane und natürlich darf er auf die Manuskripte von Ian Fleming zurückgreifen. Nur mal so zur Einleitung, mit wem wir es hier zu tun haben. Horowitz ist nämlich der Autor der Jugendbuchreihe "Alex Rider" – Vorbild für die Serie, bei der er selbst Executive Produzent ist. Also alles very british. Stimmt, bis auf den Regisseur, der die Serie, die auf Amazon Prime läuft, auch mitentwickelt hat: Andreas Prochaska ("Das finstere Tal", "Das Boot"), ein Österreicher.
Dieser Prochaska, da muss es schon klingeln, ist ein Experte für ausgefeilte Helden. Also nicht für die schön rund gefeilten, sondern die mit Ecken und Kanten. Keine, die sich im Glanz suhlen, sondern ihren Job erledigen, dabei noch mehr Narben kassieren und sich nicht lange feiern lassen. Wäre ja noch schöner. Da reiht sich dieser britische Schüler Alex Rider (Otto Farrant) perfekt ein, der keine neuen Abenteuer braucht, weil sein Leben bislang schon abenteuerlich genug war: Die Eltern tot, lebt er bei seinem Onkel. Ein bis auf Punkt und Beistrich gesetzestreuer Banker, der, wie sich nach seinem gewaltsamen Tod herausstellt, eigentlich ein Agent war.
Und nun muss Alex ran, aber nicht, weil er das so sexy findet, sondern weil die Herren mit den dunklen Anzügen beim Rekrutieren des Agentennachwuchses nicht zimperlich sind und schon mal die Fremdenpolizei vorbeischicken, die damit droht, die Haushälterin abzuschieben. Hilft also alles nix: Der Schüler heuert beim Geheimdienst an. Gegner gibt es genug, auch in den eigenen Reihen. Klassisch lässt sich sagen: Hier weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.
Das Intro ist "bondig", könnte man sich denken: In sich nach oben und unten verschiebende Dreiecke, unterlegt mit einer fantastischen Soulnummer von Samm Henshaw ("The World is mine"). Und man merkt die Stoßrichtung: Ja, gedämpfte Farben plus Agentengrau und Brit Chic. Und doch merkt man schnell, dass man hier keinen Baby-Bond vor sich hat. Der Hauptcharakter trägt auch bei der Verfolgungsjagd Fahrradhelm und überhaupt schickt Prochaska einen Sympathieträger los: Er ist kein MacGyver, aber ein schlauer Kerl, handsome, smart, bisweilen sympathisch wütend, manchmal einfach nur verloren. Die Serie kupfert keinen Bond ab, will kein Neo-Bond sein, sondern spielt mit den typisch britischen Agentenklischees. Nimmt sie auf oder lässt sie einfach fallen, wie es gerade so passt.
Tja, lieber James Bond, lass dir mit deinem letzten Abenteuer ruhig noch ein bisschen Zeit, in der Zwischenzeit übernimmt Alex Rider das Regiment. Aber aufgepasst: Er macht es gut. Sehr gut, sogar.