"Viele von euch werden sich jetzt fragen, warum ich das jetzt mache", lautete am Donnerstagabend der erste erste Satz des MarcelHirscher in der ORF-Produktion "Ein Sommer in Österreich". Es ist Hirschers Debüt als ORF-Moderator und das in einem mit großer Kurzfristigkeit und unter den prekären Drehverhältnissen der Coronakrise realisiertem TV-Projekt. Dem ist Respekt zu zollen, denn echte Neuproduktionen sind dieser Tage absolute Mangelware im Fernsehen. Dennoch: Eine überzeugende Antwort auf die von Hirscher eingangs gestellte Frage, lieferte die 90-minütige Urlaubsempfehlung für Österreich nicht.
Das lag nicht an Hirscher. Hirscher ist Hirscher. Bodenständig, gelassen und zugleich getrieben von unbändiger Energie, weshalb man den 31-Jährigen auch kletternd, paddelnd, radelnd (mit E-Bike!) und wandernd sieht. Zwischen den Hirscher-Szenen wurde Werbung gemacht, Werbung für einen Urlaub am Bauernhof, Werbung für einen Urlaub am See. Und vor allem: Werbung für einen Urlaub im Land der Seeligen. Den föderalistisch, egalitären Prinzipien entsprechend, lieferte jedes Bundesland jeweils zwei Beiträge. In Kärnten waren das der Wörthersee und die Großglockner Hochalpenstraße. Die der Steiermark die Grazer Altstadt und die Weinstraße.
Nicht alles war bereichernd, was hier begleitet von allerfeinster Telefonwarteschlangenmusik vorgetragen wurde. "Eine Möglichkeit, die Stadt Graz zu erleben, ist eine Tour mit einem Guide", war da etwa zu erfahren. Für einen Werbefilm mögen solche Empfehlungen ihre Berechtigungen haben, in einem TV-Format überrascht die Banalität. Tatsächlich handelt es sich bei "Ein Sommer in Österreich" um einen Hybrid: Eine Mischung aus Österreich-Doku und Österreich-Werbung.
Die Wiedersehensfreude und Neugierde war beim TV-Publikum enorm hoch: Im Schnitt schalteten 1,181 Millionen Millionen Zuseher ein, der Marktanteil lag bei hohen 36 Prozent. Eine bemerkenswert gute Quote.
"Vielleicht werde ich einmal Kollege von ihnen"
Und Hirscher? Der bemühte sich sichtlich, sprach mit Tourismus-Experten und Gastronomen über die aktuelle Situation und die Plus-Seiten der Coronakrise. Hoffnung, Aufbruch, Chancen. Dazu tausendfach die Sprachklischees: genießen, überwältigend, herrlich. Jede Region will einzigartig sein. Der Gedanke, dass sich in Zeiten von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit nicht jeder einen Sommer in Österreich leisten können wird, hatte an diesem Abend keinen Platz.
Der ORF hat einige Übung darin, frühere Skistars in sein Programm zu integrieren. Ob es klug und fair war, Hirscher in dieses eilends organisierte TV-Abenteuer zu schicken, bleibt offen. Der achtfache Gesamtweltcupsieger hätte sich ein kohärentes Format verdient und vielleicht auch mehr Vorbereitung. Dass er auch als Präsentator vor der Kamera eine gute Figur macht, hat Hirscher immerhin beweisen können.
In einem Interview in der ZIB 2 im Jahr 2015 antwortete Hirscher auf die Frage von ArminWolf, was er für die Zeit nach der Skikarriere plane: "Vielleicht werde ich einmal Kollege von ihnen". Dieser Möglichkeit ist er am Donnerstagabend ein deutliches Stück näher gerückt.