Die Vorgehensweise von Netflix ist von durchschaubarem Kalkül. Der alte Thor ist abhandengekommen, es lebe der selbst entworfene Thor. Der Hintergrund der Rochade: Nachdem der Disney-Unterhaltungskonzern Marvel-Produktionen wie die Thor-Reihe künftig in seinem eigenen Streamingdienst Disney+ zeigen will, hat Netflix einige wichtige Übertragungsrechte verloren. Um dies auszugleichen, versucht der weltweite Marktführer seine Kunden mit selbst produzierten Superheldenserien versorgen. Beispiele für diese Bestrebungen waren im Vorjahr „Raising Dion“ oder die erfolgreiche Comicverfilmung „Umbrella Academy“.

Mit „Ragnarök“ nimmt der weltweite Marktführer ab Freitag den nächsten Anlauf in Sachen Superhelden und holte sich dafür einen großen Namen: AdamPrice. Dem Dänen gelang mit „Borgen“ ein von der Kritik gefeierter Clou. Diesen Erfolg will er mit „Ragnarök“ wiederholen.

Name und Inhalt der Serie nehmen Bezug auf die nordische Sage Ragnarök, die vom Untergang der Götter erzählt. Kein gutes Omen für den Jungspund Magne (David Stakston), der mit seinem Bruder und seiner Mutter in das norwegische Provinzstädtchen Edda – einer von vielen Verweisen auf die nordische Mythologie – zurückkehrt. Der Ortswechsel ändert für den Eigenbrödler Magne alles: Unter anderem entdeckt er an sich eine auffällige Affinität zu Hämmern. Schnell wird klar, auch die Riesen sind mitnichten aus dem modernen Norwegen verschwunden.

Junger Cast, sympathische Helden

Bemerkenswert ist der Umgang mit der Mythologie, die mit beachtlicher Unverfrorenheit in das 21. Jahrhundert übersetzt wird. Das Umweltthema wird zentral gestellt, der Bösewicht zum Natur vergiftenden Fabrikbesitzer. Der erzählerische Kniff: Erst durch die Erderwärmung treten die Geheimnisse von Göttern und Riesen wieder zutage. Das wirkt ebenso konstruiert beziehungsweise augenzwinkernd wie mancher vermurkster Dialog der Nachwuchshelden. Nicht zuletzt ist „Ragnarök“ aber eine Jugendgeschichte, zugeschnitten auf ein jüngeres Publikum. Das spiegelt auch der Cast wieder: Mehrere Darsteller spielten bereits in der Webserie „Skam“ mit, die von Norwegen ausgehend, eine große Breitenwirkung erfuhr.

Vorerst sind sechs Folgen zu sehen. Weil die Geschichte damit noch lange nicht auserzählt ist, darf mit einem Wiedersehen mit den sympathischen Superhelden gerechnet werden.