Das Fernsehen im Jahr 2019 bot ruchlose Milliardäre und heiße Priester; freigelegte Atomkerne und Riesenkraken. Es war ein Jahr, in dem mehr als 500 Original-Serien in den USA ausgestrahlt wurden. Die neuen Streamingdienste von Apple und Disney hinken in puncto Qualität noch hinterher, bald kommen in den USA noch mehr hinzu. Um den Überblick zu behalten: die zehn Serienhighlights 2019.
In den letzten Monaten des Jahres war und ist "Watchmen" die beste Antwort auf die Frage, was im Fernsehen gerade großartig ist. Damon Lindelofs brillante Überarbeitung des Comics von Alan Moore und Dave Gibbon bietet eine scharfe Analyse des modernen Amerikas. Mit Angela Abar (Oscar-Preisträgerin Regina King) wurde eine afroamerikanische Heldin vorgestellt, die uns durch diese seltsame Welt voller Tintenfischregen und Klone führt. Die HBO-Serie, die hierzulande auf Sky läuft, ist eine Mischung aus Ideen wie Trauma, Rassismus und Identität.
Eine andere HBO-Serie, die uns eine unterhaltsame Analyse Amerikas bot, war Jesse Armstrongs "Succession" über eine New Yorker Medienfamilie, die von einem Rupert-Murdoch-Archtypen namens Logan Roy (Brian Cox) angeführt wird, der die Massen mit konservativer Propaganda versorgt. Die 2. Staffel, die auf Sky zu sehen ist, befasste sich eingehender mit dem Trauma, das der Vater seinen Kindern zugefügt hatte und humanisierte die Familie, ohne jemals die Verachtung für die Elite zu verlieren, die die Serie zur populistischen Satire macht.
Aber vielleicht war keine Serie in diesem Jahr so beeindruckend wie "Chernobyl". Diese erstaunlich detaillierte, häufig grausige, fünfteilige Dramaserie über die Atomkatastrophe von Craig Mazin wurde im Sommer zu einem unerwarteten Hit. Mazins Darstellung wie die Parteipropaganda ein globales Unglück verschärfte, war so unaufhaltsam, dass es sogar die russische Regierung wütend machte.
Auch Netflix hatte ein gutes Jahr. Mit "Unbelievable" hat der US-Streamer eine feministische True-Crime-Serie geschaffen. Die Showrunnerin Susannah Grant konzentrierte sich auf die Erfahrungen von Frauen, die von Männern zu Opfern gemacht wurden, aber anstatt ein weiteres Paar schwieriger Polizeibeamter anzubieten, gab uns "Unbelievable" Merritt Wever und Toni Collette als ein Paar kompetenter, mitfühlender Detektivinnen. Es war oft bedrückend, diese achtteilige Serie anzusehen, aber sie war revolutionär.
Ava DuVernays ("Selma") vierteilige Dramatisierung der widerrechtlichen Verurteilung der fünf schwarzen und lateinamerikanischen Teenagern, die 1989 gezwungen wurden, die Vergewaltigung an einer weißen Joggerin zu gestehen, war ein nervenaufreibendes Stück Geschichte, eines, das den Betrachter buchstäblich dazu zwingt, diese vom US-Justizsystem zerkauten Burschen mit schmerzhafter Direktheit zu sehen. "When They See Us" war ein ernstes, soziales Drama, das einen in Ehrfurcht zurückließ.
Eine Amazon-Serie, die zu Unrecht nicht so viel Beachtung fand, ist "Undone". Der schräg-philosophische Thriller von Kate Purdy und "Bojack Horseman"-Erfinder Raphael Bob-Waksberg kreierte mithilfe einer extrem aufwendigen, rotoskopischen Animation eine spezifische Realität, die sich mit ihrer visionären Heldin Alma (Rosa Salazar) in ein Traumland auflöste.
Es war aber nicht alles nur ernst in diesem Jahr. Die 2. Staffel von "Fleabag" verwandelte die britische Serie auf Amazon in eine globale Sensation und wurde mit sechs Emmys ausgezeichnet. Die Heldin, gespielt von Phoebe Waller-Bridge, flirtet und lügt vor der Kamera, während sie sich in einen heißen Priester (Andrew Scott) verliebt. Es war straff gebaut, hervorragend gespielt, romantisch und doch zynisch. Ein Fest der Menschlichkeit in all seinen schönsten und abscheulichsten Formen.
Die von Schauspielerin Natasha Lyonne und ihren Co-Produzentinnen Lesley Headlund und Amy Poehler ins Leben gerufene Netflix-Serie "Matrjoschka" hat die Idee von "Und täglich grüßt das Murmeltier" neu interpretiert. Im Zentrum steht die zynische New Yorkerin Nadja, die ihren Geburtstag immer wieder aufs Neue erlebt. Jede Szene ist so detailreich, dass Wiederholungen ein Muss sind.
Die brutale Comic-Verfilmung "The Boys" von Mitschöpfer und Showrunner Eric Kripke spielte in einer Welt, in der Superhelden moralisch verkommen sind. So grausam und schockierend gewalttätig die achtteilige Amazon-Serie auch war, sie bot eine schwarzhumorige Dekonstruktion traditioneller Superheldengeschichten mit überraschend berührenden Momenten.
Und wann haben Sie das letzte Mal eine Komödie gesehen, die einen muslimischen Burschen zeigt, der mit Osama bin Laden über 9/11 diskutiert, aber sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich zum ersten Mal zu masturbieren? Hulus wundervolle Dramedy-Serie "Ramy", die auf Starzplay läuft, ist eine kleine Revolution im US-Fernsehen, da sie eine oft dämonisierte religiöse Gruppe auf eine Weise zeigt, die zutiefst komisch, surreal und menschlich ist.
Marietta Steinhart/APA