Herr Knapp, was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie am 17. Mai das Ibiza-Video sahen?
Meinrad Knapp: Das erste Wort, das ich mir dachte, können Sie nicht abdrucken (lacht). Wir haben den ganzen Freitag an der Diskussionssendung mit den EU-Spitzenkandidaten am Sonntag gearbeitet, und am Freitagabend um 18 Uhr war die Sendung fertig – um 18.15 Uhr wussten wir, dass wir das Konzept nehmen und wegwerfen können.
Hätten Sie diese Vorkommnisse für möglich gehalten?
Knapp: Das ist im Nachhinein immer schwierig zu beurteilen. Hätten wir 9/11 für möglich gehalten? Sagen wir, es hat uns alle schon sehr überrascht. Es gab im Vorfeld kein Indiz, dass so etwas passieren könnte.
Wer hatte die Idee zum Jahresrückblick in der Finca auf Ibiza?
Knapp: Die Idee haben Georg Grabner, unser „ATV Aktuell“-Chefredakteur, und ich im Rahmen eines langen Spaziergangs um unseren Sender entwickelt. Je länger wir darüber diskutiert haben, desto mehr hat sich herauskristallisiert: Wir müssen es auf Ibiza machen.
Wie schwierig war es, den Dreh in der Finca zu organisieren?
Knapp: Es war ein unglaublicher Aufwand und zugleich schön zu sehen, dass so viele an dieses Projekt geglaubt haben. Die ganze Technik und der Übertragungswagen kamen per Fähre aus Mallorca. Weil das gab es auf Ibiza nicht. Wir mussten alle Leute nach Ibiza bringen – und wegen der Off-Season gab es keine Direktflüge. Und dann hob Andreas Mölzers Jet in Palma wegen des starken Windes nicht ab. Das hat die Produktion um Stunden verzögert.
Zur Erinnerung: Dieses Video war Anlass für vieles und auch für die Ortswahl des ATV Aktuell-Jahresrückblicks:
„ATV Aktuell“ erzielte im November die höchste Quote seiner Geschichte. Sind gerade gute Zeiten für Nachrichtensendungen?
Knapp: Die Nutzung von Nachrichten lebt natürlich davon, dass viel passiert. Und es passiert ja so viel: Vor vielen Jahren haben wir noch fasziniert in die USA geblickt und „House of Cards“ angesehen. Heute frage ich mich, ob die „House of Cards“-Autoren nicht mittlerweile in Österreich leben und aus der heimischen Innenpolitik den Stoff für ihre nächsten Geschichten machen.
Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos wurde das junge ZiB-Team um Tobias Pötzelsberger mit Lob überhäuft. Wie ging es Ihnen als Moderator eines Konkurrenzsenders damit?
Knapp: Ich fand das hervorragend, weil zu sehen war, dass Tobias Pötzelsberger diese Sendung moderierte, als hätte er in seinem Leben nichts anderes gemacht. Das ist ja für den Markt unheimlich bereichernd und erinnert an das Starbucks-Prinzip: Man wundert sich in den USA, wenn in einer Straße fünf Starbucks-Filialen sind und der Umsatz trotzdem steigt. So ist es auch mit sehr guten Moderatoren.
Auch Sie wurden 2018 als ZiB-Moderator gehandelt. Hätten Sie Lust auf diese Aufgabe?
Knapp: Ich habe mich sehr gefreut, als ich es in der Zeitung gelesen und dadurch überhaupt erst erfahren habe. Ich muss aber sagen, dass mir die Freiheiten und das Vertrauen, das ich bei ATV genieße, viel wert sind. Ich kenne die ORF-Strukturen nicht so gut und weiß nicht, welchen Aufwand es gebraucht hätte, diese Sendung aus Ibiza zu machen. Wir bei ATV sind um den Sender spaziert, haben die Idee Geschäftsführer Thomas Gruber präsentiert und der hat gesagt: „Super, lasst es uns machen!“