Breite Hüften, ausgewachsener Busen und eine extreme Wespentaille schon in jungen Jahren: „Die Hälfte der weiblichen Kinderfiguren im Fernsehen ist anatomisch gar nicht möglich“, sagt Elizabeth Prommer, Direktorin des Instituts für Medienforschung an der Uni Rostock.
Sie nennt u.a. „Heidi“ oder aktuell „Mia and me“ auf Kika. Die Hauptfigur der serie ist eine Elfe, deren magischer Armreifen ihr wundersame Kräfte verleiht. „Sie ist ein mutiges, junges Mädchen, eine toughe Elfe und trotzdem trägt sie Minirock und Overknees-Stiefel und hat eine superdünne Taille“, sagt Prommer. Selbst Biene Maja hat ihre gemütliche Figur in der Neuversion abgelegt und summt nun mit größeren Augen, schmalerer Mitte und längeren Beinen durchs Kinderprogramm. Kurzum: ihre Darstellung ist übersexualisiert und vermittelt dem jungen Publikum ein völlig falsches Bild von Weiblichkeit.
Ab 35 Jahren ausgeblendet
Mit Kollegen hat die Medienwissenschaftlerin rund 3500 Stunden Fernsehmaterial aus dem Jahr 2016 mit Stoppuhr gesichtet – von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern Deutschlands. Schauspielerin und „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler hat die Studie, die soeben in Buchform erschienen ist, unterstützt.
Der Titel „Ausgeblendet“ ist dabei Programm. Denn: Ein deutscher Kinofilm in den Jahren 2011 bis 2016 hatte im Durchschnitt 3,4 weibliche Rollen und 5,5 männliche Rollen. Im Kinderfernsehen ist die Schieflage besonders fatal: Auf eine Mädchenfigur kommen drei Buben. Mit den realen Bevölkerungszahlen hat das nichts gemein. Und mehr noch: 87 Prozent der Tierfiguren, 88 Prozent der Pflanzen und Objekte sowie 84 Prozent der Maschinen und Roboter, die Kinder im Fernsehen sehen, sind männlich.
Das sukzessive Verschwinden
Die Frauen, die auf Leinwänden oder Bildschirmen vorkommen, sind in erster Linie jung. Ab dem 35. Lebensjahr verschwinden sie nämlich sukzessive. Altersdiskriminierung ist weiblich – und schlägt besonders in der Unterhaltungsbranche zu. Während Herren bis zum 70er durch Shows führen, ist für Frauen ab Mitte 30 oftmals Schluss. Bis dahin hält sich die Bildschirm-Präsenz der Geschlechter im fiktionalen, informativen und im Bereich der Unterhaltung die Waage. Bei den Über-50-Jährigen kommen auf eine Frau drei Männer, bei den Über-60-Jährigen sind es bereits vier Männer – eine Drei-Viertel-Mehrheit. Besonders bitter: „Die Frauen tauchen in Filmen und Serien auch als Omas nicht mehr auf, an ihre Stelle treten zunehmend Opas.“ Was okay wäre, wenn derweil Frauen zu sehen wären, die Häuser bauen oder Flugzeuge lenken. „Ich würde mir für Frauen die gleiche Vielfalt in der Figurenzeichnung wünschen, wie es sie für Männer gibt.“
Als „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm fungierte Schauspielerin Maria Furtwängler als Role-Model: Sie ermittelte trotz Babys weiter in Mordfällen. Der Polizeiberuf im deutschen krimigefluteten TV ist zunehmend weiblich. „Es deutlich mehr Polizistinnen im Fernsehen als es sie in der Wirklichkeit gibt“, sagt Prommer. Dafür flimmern – im Vergleich zur Realität – viel zu wenige Ärztinnen, Juristinnen oder Pflegerinnen über die Bildschirme. Ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Die Ergebnisse hätten auch die TV-Macher erschrocken. Ob der Schock Handlungen provozierte, wird 2020 in einer Folgestudie überprüft.