Ausgangslage für die fünfte Folge: Cersei Baratheon hat sich beim Kampf gegen die Untoten fein rausgehalten. Bis auf Ser Gregor Clegane, vulgo der Berg, hat sie mit Untoten nichts am Hut gehabt. In King's Landing (Königsmund) gibt man sich also recht frisch und bösartig wie immer. Wir erinnern uns: Ein erster Gruß aus ihrer Hexenküche war die Enthauptung von Missandei. Noch dazu hat sie sich nach dem Überfall auf Rosengarten in der letzten Staffel ordentlich liquid gemacht und die Goldene Kompanie von Essos engagiert. Man ist also - im Gegensatz zu Daenerys Targaryens Armee - ziemlich frisch und munter.

Doch während in King's Landing noch die Sonne scheint, verdüstert sich rund um Daenerys Targaryen die Stimmung. Sie wittert Verrat und ganz falsch liegt sie damit nicht. Lord Varys hat in der letzten Folge nicht damit hinter dem Berg gehalten, dass er Daenerys nicht für die geeignete Königin hält. Daran hält er fest: "Was ich immer gewollt habe: den richtigen Herrscher auf dem Thron", sagt er zu einem höchst nervösen Jon Snow. Der jedoch hält nach wie vor an ihr fest: "Ich will den Thron nicht, das wollte ich nie, sie ist meine Königin".

Wut gemischt mit Melancholie: Daenerys
Wut gemischt mit Melancholie: Daenerys © HBO

Für Daenerys ist die Sache jedoch gegessen: "Jemand hat mich hintergangen". Ihre Kaskade der Verräter ist recht stimmig: Jon zu Sansa, Sansa zu Tyrion und Tyrion zu Varis. Spätestens jetzt wird klar: So ein richtiges Happy End wird es wohl nicht mehr geben. Die Friede-Freude-Eierkuchen-Tour nach Königsmund müssen wir uns wohl abschminken. Dazu kommt Lord Varys nicht mehr. Seine letzten Worte zu Tyrion sollten wir uns im Gedächtnis behalten "Ich hoffe, ich habe es verdient und dass ich mich irre". Den Rest erledigt stilecht der Drache.

Und weil die Stimmung gerade eh so schlecht ist, verdüstert sich auch die Beziehung zwischen Jon und Daenerys. Was soll man sagen: und Sturm zieht auf. "Weit mehr Menschen in Westeros lieben dich statt mich", zieht sie die Kampflinie. Er versucht noch, das schwankende Schiff gerade zu halten. Seine bedingungslose Liebesoffensive hört sie schon nicht mehr: "Ich liebe dich und du wirst immer meine Königin sein." Sorry, Jon, der Machtrausch, der hat eingesetzt. Daenerys bläst zum Sturm auf Königsmund. Ohne Wenn und Aber. Tyrion versucht noch das Ruder herumzureißen: "Tausende Kinder werden sterben, wenn die Stadt brennt". Zynisch könnte man sagen: Wie so manch "großer Herrscher" denkt sie in Dekaden: "Gnade ist unsere Stärke - für kommende Generationen". Was übersetzt so viel heißt wie: Es ist mir eigentlich scheißegal, wer hier überlebt oder nicht. Diese Einstellung teilt sie mit ihrer direkten Gegnerin Cersei. Die erwartet am Roten Bergfried ihren sicheren Sieg.

Cersei wartet am Roten Bergfried auf den Angriff
Cersei wartet am Roten Bergfried auf den Angriff © Helen Sloan/HBO

In Minute 26 dreht sich also der Wind: Wer ist die Gute, wer ist die Böse, wer lässt wen über die Klinge springen? Nach der "Gut-gegen Böse-Schlacht" gegen die Untoten, haben die Macher eine falsche Fährte gelegt: Wer dort noch geglaubt hat, dass ein Happy End möglich ist, der war schon verloren. Aber wie der Titel der Serie schon verrät: Game of Thrones - es ist ein Machtspiel. Und das geht so: Möglicherweise hast du dem falschen Herrscher vertraut, doch das wird dir leider zu spät bewusst. Vielleicht wolltest du die mahnenden Stimmen nicht hören, die dich gewarnt haben.

Bevor wir zum finalen Schlag ausholen noch ein Seitenschauplatz: Jaime Lennister wird beim Versuch, nach Königsmund zu gelangen, verhaftet. Tyrion überschreitet neuerlich seine Befugnisse und besucht ihn. Es kommt zum emotionalen Abschied: "Du warst der Einzige, der mich nicht wie ein Monstrum behandelt hat", so Tyrion zu seinem großen Bruder. Und neuerlich versucht er zu retten, was möglich ist: Jaime müsse Cersei umstimmen, um Zehntausende zu retten. Er lässt ihn frei und unterschreibt zumindest theoretisch sein Todesurteil: "Das Leben von Zehntausenden für das eines nicht so unschuldigen Zwerges". Die entscheidende Handlungsanweisung: Läute die Glocken, wenn sie sich ergibt!

Hat einen sehr kurzen Auftritt: der Chef der Goldenen Kompanie von Essos
Hat einen sehr kurzen Auftritt: der Chef der Goldenen Kompanie von Essos © HBO

In der Zwischenzeit haut Daenerys in die Vollen und legt die Goldene Kompanie in Schutt und Asche. Sie ist das, was sie ohnehin immer gesagt hat: die Sturmtochter. Freie Bahn für die Dothraki. Cersei glaubt derweilen immer noch, dass sie im Roten Bergfried sicher ist. Und dann der erlösende Glockenschlag. Aufgabe. Oder anders: Es kommt zur Aufgabe jeglicher zivilisatorischer Errungenschaften. In der Management-Sprache sagt man "Tipping-Point" dazu. Ein Kipp-Punkt, der eine aktuelle Entwicklung komplett in die Gegenrichtung verkehrt. Oder anders gesagt: Nach der Vollbremsung kommt die Vollbeschleunigung. Der Drache hebt ab und es folgt eine Spur der Verwüstung. Dothraki, Greyworm und seine Mannen verfallen dem totalen Blutrausch. Wer sich bei der "Langen Nacht" noch darüber mokiert hat, dass es zu dunkel war, der soll jetzt gut hinschauen: Es ist eine Symphonie des Machtrausches. 

Man kann, darf, muss sogar "Hells Bells" von AC/DC zitieren: "I won't take no prisoners, won't spare no lives" - "Ich mache keine Gefangenen, ich verschone kein Leben". Das große Schlachten beginnt. Und mittendrin Jon Snow, in dessen vor Schreck geweiteten Augen man eine Frage lesen kann: Wie viel Blut klebt an meinen Händen, weil ich an die Falsche geglaubt habe? Daenerys vernichtet die Stadt und ihre Bewohner. Nicht nur die Soldaten, auch die Frauen, die Kinder. Jaime schafft es noch zu Cersei und es kommt zur finalen Erkenntnis: "Nur du und ich, nichts anderes spielt eine Rolle". Doch das alles verpufft angesichts des Wahnsinns, der über Königsmund fliegt.

Das sind vielleicht die endgültigen Szenen der gesamten Serie: Schwer kriegstraumatisierte Menschen, die mit Staub bedeckt durch die Straßen irren. Man muss hier keine übertriebenen philosophischen Winkelzüge anstellen, um zu erkennen, dass dies hier die finale Botschaft ist, die durchaus höchst aktuelle Bezüge herstellt: Im Krieg gibt es immer nur Opfer. Wenn Macht im Rausch endet, dann beginnt die Katastrophe. 

Die wichtigste Szene: Arya Stark, die gemeinsam mit dem Bluthund noch die Stadt erreicht hat, steht im Ascheregen. Sie hat eine Mission. Aber eines ist sicher: Es wird kein Happy End mehr geben. Mit Blut verschmiert, in Asche gehüllt. Arya Stark erinnert in diesem Moment sehr an jenes Bild, das 2016 um die Welt geht: Es zeigt den damals fünfjährigen Syrer Omran Daqneesh, der in Aleppo verletzt wurde. Wollte man hier  eine Querverbindung zum aktuellen Weltgeschehen herstellen?

Epilog:

Wichtigster Nebenschauplatz: Der Bluthund übt Rache an seinem großen Bruder (wir wollen nicht vergessen: Gregor Clegane hat seinen Bruder schon als Kind ins Feuer gehalten). Die Essenz des Kampfes in Worten von Seiler und Speer: "Letzte Nocht, woa a schware Partie fia mi. Dass i ned glei ham kum, woa vu Aufaung au kloa".

Super-Drogon: Der Drache scheint von Folge zu Folge mächtiger zu werden. Mittlerweile lässt sein Feuer Steine zusammenbrechen und explodieren, auch wenn kein Wildfire in der Nähe ist.

Der Monty-Python-Moment: Euron Greyjoy verletzt in einem Gefecht Jamie Lennister und freut sich darüber - kurz bevor er stirbt. Das erinnert uns daran:

PS: Wo ist jetzt eigentlich der Herr des Lichts?

Die HBO-Serie Game of Thrones ist auf Sky im Abo zu sehen, sowie auf Amazon Prime als Einzelfolge und ganze Staffel zu kaufen.