1. Was ist die Grundidee hinter der Urheberrechtsreform?
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legte bei seiner Rede zur Lage der Union 2016 die Messlatte: „Ich möchte, dass Journalisten, Verleger und sonstige Urheber eine faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten.“ Spätestens seit damals wird in der EU eifrig über das Thema Urheberrecht diskutiert. Eine Reform ist überfällig: Das Gesetz entspricht nicht mehr den Anforderungen des digitalisierten Zeitalters. Zudem gilt es, ein chronisches Ungleichgewicht aufzulösen: Aktuell profitieren durch Werbeeinnahmen in erster Linie Plattformen wie Google oder Facebook und nicht so sehr die eigentlichen Produzenten von Inhalten (Zeitungsverleger, Autoren, Plattenfirmen u. a.).
2. Worauf einigten sich EU-Parlament, Rat und Kommission?
Heiß diskutiert wurden die Punkte Leistungsschutzrecht (Artikel 11) und Einführung der Upload-Filter (Artikel 13). Letztere sehen vor, dass Internetseiten für hochgeladene Inhalte der Nutzer haften. Das Leistungsschutzrecht bedeutet wiederum, dass Suchmaschinen wie Google nicht mehr ungefragt und unentgeltlich Artikel-Ausschnitte von Medien anzeigen dürfen.
3. Wird das Ziel einer fairen Vergütung für journalistische Inhalte damit erreicht?
Hier gehen die Meinungen auseinander. Plattformen wie Google News zahlen derzeit nichts für die Inhalte der Verlage und schöpfen zugleich hohe Werbesummen ab. Künftig sollen sie für die Inhalte zahlen beziehungsweise nur einzelne Wörter anzeigen dürfen. Ob es dazu kommt, ist offen: Google hat mehrfach angekündigt, Google News in Europa abzudrehen, sollte das Leistungsschutzrecht kommen. Ob damit den vielen Verlagen, die derzeit Google als Plattform nutzen, geholfen wäre, ist fraglich.
4. Reichlich Kritik gibt es an den Upload-Filtern. Was steckt dahinter?
Um den neuen Urheberrechtsbestimmungen gerecht zu werden, müssten Portale wie Youtube Filter einsetzen, um das Material vor der Veröffentlichung zu sichten. Für Nutzer hat das Vorteile: „Sie können ohne Furcht vor Strafe hochladen“, führt EU-Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip aus. Die dafür notwendigen Upload-Filter sind jedoch hochkomplex - und zugleich mächtig und fehlerhaft, wie Kritiker anführen. Filter würden in der Praxis Satire, Memes oder einfache Zitate nicht von Urheberrechtsverletzungen unterscheiden können und daher löschen. Zusätzlich könnte die Regelung die dominante Marktstellung der großen Player einzementieren, da funktionsfähige Filter aufwendig und teuer sind.
5. Was sagt die heimische Politik?
Es sei „eine Frage der Gerechtigkeit“, erklärt Medienminister GernotBlümel. Es gelte, Plattformen wie Google, Facebook & Co. verstärkt in die Pflicht zu nehmen. Er begrüße die Einigung. Von „sehr schlechten Nachrichten für das freie Internet“ spricht hingegen ClaudiaGamon, EU-Spitzenkandidatin der Neos. Eine Reform „ohne Mehrwert“ orten die EU-Abgeordneten der SPÖ in einer Aussendung.
6. Wie reagieren Journalisten-Vertreter?
„Eine vielfältige Medienlandschaft kann es im digitalen Zeitalter nur geben, wenn journalistische Inhalte vor kommerzieller Ausbeutung geschützt werden“, bewertet MarkusMair, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), die Entscheidung positiv. Die IG Autorinnen Autoren sieht einen „entscheidenden Wendepunkt“. Kritik kommt vom Österreichischen Journalistenclub (ÖJC): Die Reform sei „sinnlos“ und bringe für die Verleger „keinen Cent“.
7. Wie sehen die Erfahrungen in anderen Ländern aus?
Erfahrungswerte gibt es aus Spanien und Deutschland, wo das Leistungsschutzrecht bereits eingeführt wurde - und scheiterte. In Spanien schloss Marktführer Google kurzerhand seinen News-Dienst, in Deutschland blieb das Gesetz zahnlos. Geld floss weder da noch dort.
8. Ist die nun getroffene Entscheidung endgültig?
Nein. Die Reform muss noch vom Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden. Bis dahin ist mit weiteren Protesten der Gegner zu rechnen. Google kündigte an, die Richtlinie im Detail prüfen zu wollen.