Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ skizziert ein Schreckensszenario der kommenden NS-Ära. Was erzählt uns die Geschichte von 1931 über die Gegenwart?
David Schalko: Im Prinzip geht es darum, wie ein Kindermordfall politisch instrumentalisiert wird, um gewisse Dinge durchzubringen, die an elementaren Bürgerrechten sägen. Oder darum, ein autoritäreres System zu implementieren. Solche Parallelen gibt es zur Gegenwart. Das heißt nicht, dass wir nächstes Jahr im Faschismus leben, aber es lässt sich wieder erkennen, dass der Rechtsstaat infrage gestellt wird – um ein System zu entdemokratisieren und die Politik des starken Mannes zu etablieren.
Wie und wann sind Sie mit dem Original sozialisiert worden?
David Schalko: Ich habe das Original zum ersten Mal mit 16 gesehen, später noch weitere drei bis vier Mal. Als ich ihn vor wenigen Jahren wieder sah, waren die Paralleln zu heute schon klar erkennbar.
„M“ gilt als erster Film, der explizit einen Serienmörder zeigt und andererseits auch als klassischer Kriminalfilm.
Das Fernsehen ist voll von Krimis, die das Spannungselement aber oft nur als Folie benutzen – was wollen Sie noch erzählen?
David Schalko: Dass ein Serienmörder vermenschlicht gezeigt wurde, war ein großer Skandal damals. Das Innovative am alten „M“-Film war, dass er die Stadt zu Protagonisten erklärt hat und dass er ständig zwischen den Genres changiert. Der Film ist einmal politische Satire, dann einer über einen Serienmörder, außerdem Milieustudie und Gerichtsfilm. Etwas Ähnliches haben wir auch gemacht. Jede einzelne Folge unterscheidet sich sehr stark von der anderen. Wir beziehen uns auf die gesamte Filmgeschichte.
In „Braunschlag“ war ein onanierender Priester zu sehen, in „Altes Geld“ eine Inzest-Liebe unter Geschwistern: Wie bringen Sie das beim ORF eigentlich durch?
David Schalko: Bei „Braunschlag war es nicht so schwer, da haben alle während des Schreibprozesses daran geglaubt und „Altes Geld“ ist aus dem Erfolg von „Braunschlag“ entstanden. Bei „M“ war es schwieriger, weil es am Anfang niemand haben wollte. Es wird zunehmend schwerer, solche Projekte in Österreich zu realisieren, die Lust am Experimentieren wird beim Fernsehen kleiner. Andererseits gibt es Streamingdienste.
Ihre Figuren sind oftmals auch ziemlich unsympathisch. Wie entsteht eine typische Schalko-Figur?
David Schalko: Ich finde die gar nicht immer so unsympathisch. Jeder Mensch hat alle Seiten in sich und ich finde es langweilig, die nicht zu zeigen. Ich habe da so ein Bild vor mir: Das ist wie ein Dorf, in dem immer mehr Leute dazu kommen. Man kann nur das schreiben, was in einem wohnt. Und wer in mir wohnt, dafür kann ich nichts.
Muss man dem Publikum mehr zumuten?
David Schalko: Man muss dem Publikum alles zumuten. Ich halte nichts davon, 100 Leute zu befragen, was sie im Fernsehen sehen wollen und das dann zu machen. Das ist ein Beruf und der ist dazu da, den Leuten etwas anzubieten, von dem sie gar nicht wissen, ob sie das brauchen.
Nach der Präsentation von „M“ auf der Berlinale – welche Projekte stehen bei Ihnen an?
David Schalko: Ich schreibe gerade an einem neuen Roman und, basierend auf meinem letzten Roman „Schwere Knochen“ schreibe ich an einer Serie, die daran angelehnt ist.