Der heutige „Tatort“ ist Ihr 20. Fall als Majorin Bibi Fellner, die Ihnen auf den Leib geschrieben wurde. Auf welche Reise hat Sie denn diese Figur mitgenommen?
ADELE NEUHAUSER: Bibi Fellner hat mich auf eine Reise mitgenommen, die mich, gegen meine frühere Einstellung zu meiner Person von mir weg wieder mehr zu mir hin geführt hat – auch künstlerisch. Bibi ist eine Figur, die eine realistischere Anbindung an das Leben hat als alle anderen, die ich bis jetzt verkörpert habe. Sie steht mir von allen am nächsten.
Was macht die Figur so facettenreich und schön für Sie?
Sie ist so komplex, so echt und wahr in ihrem Humor, ihrer Empathie, ihrer Verzweiflung, ihrer Wut, ihrer Gesellschaftskritik und in ihrer Beziehung zu ihrem Partner Moritz Eisner. Sie gefällt mir wahnsinnig gut. Und nicht nur mir, Gott sei Dank! Es freut mich, dass sie seitens des Publikums einen Liebesschwall ausgelöst hat. Und: Es gibt immer mehr männliche Fans. Das ist ein Zeichen dafür, dass es mehr solche Frauenfiguren geben sollte: Frauen, die sich nichts gefallen lassen und die Gesellschaftskritik üben.
Leiden Sie unter eindimensionalen Rollenangeboten?
Darunter habe ich viele Jahre lang gelitten. Interessanterweise habe ich wenige Frauchen-Rollen angeboten bekommen. Also solche, die wenig im Kopf haben oder nie Widerstand zeigen. Aber es gab viele Angebote für überzeichnete Figuren, die fast hysterisch angelegt waren.
Die Deutschen lieben den Austro-„Tatort“. Was macht für Sie den Erfolg aus?
Harald Krassnitzer und ich sind ein gutes Gespann, weil wir auch ein bisschen Lebenserfahrung in unseren Figuren widerspiegeln. Wir beide haben Humor, dieser wird von Autoren und Autorinnen geschrieben und auch inszeniert. Und es gibt eine Redaktion, die uns den Rücken frei hält und sich traut, auch politisch unkorrekte und brisante Themen umzusetzen. Ich glaube, dass man den österreichischen Humor sehr schätzt – auch wenn man ihn nicht immer versteht, muss man trotzdem lachen. Humor ermöglicht ja immer auch einen boshafteren Blick auf die Realität.
Am 17. Jänner wartet noch ein anderes wichtiges Jubiläum auf Sie, der besondere Geburtstag, bei dem ein 6er vorne auftaucht. Wie geht es Ihnen damit?
Ich habe immer großkotzig behauptet, dass ich nichts dagegen habe, älter zu werden. Das stimmt auch, ich mag es. Jetzt ist mir aber schon kurz kalt geworden, wahrscheinlich weil mein Bruder mit 63 gestorben ist und auch zwei meiner Freunde mit Anfang 60. Da bekommt der 60er einen komischen Beigeschmack. Ich will jetzt schon 60 sein! Dann wäre der Druck weg. Ich lebe nicht unbedingt gesund, rauche wie ein Schlot, trage auch nicht viel dazu bei, 70 zu werden, aber ich gehe davon aus, dass ich es schaffe.
Nehmen Sie sich anlässlich dieses Geburtstages etwas vor?
Ich habe mir vorgenommen, dass ich ihn groß feiern werde. Ich wusste ja schon länger, dass ich mit meinem Sohn auf Tournee sein werde und deswegen überhaupt keine Zeit zum Feiern habe werde (lacht). Ich stehe an diesem Abend mit ihm in Baden bei Wien auf der Bühne. Das ist ein Geschenk!
Was konkret mögen Sie denn am Älterwerden?
Ich mag, dass sich Kreise schließen. Ich bin jemand, der gerne Dinge abhakt, erledigt. Ich bin hartnäckig und wenn mir das gelingt – wie bei meinen dunklen Phasen – und ich weiß, dass das erledigt ist, tut das gut. Es ist nicht nur, dass ich diese Depressionen nicht mehr habe, wie in jungen Jahren, sondern dass ich die Zeit anders nutzen kann. Eine Depression ist eine belastende Geschichte, du kannst dich nicht bewegen, du kommst nicht vom Fleck, du bist wie gelähmt. Du hast das Gefühl, du bist dein eigener Feind. Diese Prozesse können manchmal sehr lange dauern, man muss daher ein langes Leben haben, um alles erledigen zu können.
In Ihrer Autobiografie „Ich war mein größter Feind“ gehen Sie sehr offen und mutig mit Ihren Depressionen um. War das der richtige Schritt für Sie?
Ja, es war absolut der richtige Schritt für mich. Mit der Serie „Vier Frauen und ein Todesfall“ habe ich in Österreich plötzlich eine Popularität erlangt, die auch von journalistischer Seite ein Interesse an meiner Person nach sich gezogen hat. Ich habe damals einige Interviews von Kolleginnen und Kollegen gelesen und mir gedacht: Das ist ja zutiefst langweilig, wenn ich erzähle, wo ich was gespielt habe.
Das heißt, Sie wollten Ihre Popularität nutzen?
Ich wollte etwas Positives bewirken. Für meine Eltern war es schwierig, aber ich konnte es ihnen erklären. In einer Gesellschaft, in der man sich stärker hinter einer Maskerade verbirgt und mehr manipuliert wird, wird es dringlicher, offen und ehrlich sich selbst gegenüber zu sein. Dann wären wir nicht so ein gefundenes Fressen für Hetze und Manipulierer.