Die „Bill-AG“ (übersetzt „Rechnungs-Aktiengesellschaft“) ist bei den Eidgenossen nicht sonderlich beliebt. Wenig verwunderlich, macht die mit der österreichischen GIS vergleichbare Rundfunkgebühr doch immerhin 451 Franken (390 Euro) pro Jahr aus - der höchste Beitrag in Europa. Geht es nach den Initiatoren „Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren“, ist die Billag aber ohnehin bald Geschichte: Am Sonntag wird über ihr Fortbestehen abgestimmt, die Entscheidung könnte den Schweizer Medienmarkt in seinen Grundfesten ändern.
Seit Monaten tobt in der Schweiz eine intensive, teils hitzig geführte Debatte über die Rundfunkgebühren: im Fernsehen, den sozialen Netzwerken und am Stammtisch. Die Diktion der Billag-Gegner klingt dabei auch in Österreich vertraut: Die so bezeichnete „Zwangsgebühren“ seien abzuschaffen, die „Zwangsbevormundung zu beenden“ und der Staat solle sich gänzlich aus der Medienpolitik heraushalten. Wie mehrheitstauglich diese vor drei Jahren zur Abstimmung eingereichten Ziele tatsächlich sind, wird der Sonntag zeigen. Aktuelle Umfragen sagen ein Nein voraus.
Die Rechnung ist einfach: Werden die Gebühren abgeschafft, entgehen der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG - vergleichbar mit ORF) jährlich 1,24 Milliarden Franken (1,07 Milliarden Euro) und damit drei Viertel ihres Budgets. Eine Billag-Abschaffung käme demnach einer SRG-Abschaffung gleich, sagen Kritiker.
Christian Riesen, Marketing- und Logistikverantwortlicher der „No Billag“-Initiative, kann die Argumentation nicht nachvollziehen: „Grundsätzlich habe ich da gar keine Angst. Es gibt genug Beispiele von Sendern, die sich schon jetzt ohne Gebühren finanzieren.“ Was gut ist, würde sich auch künftig durchsetzen, ist der Mit-Initiator überzeugt. Gegenüber der Kleinen Zeitung kritisiert der Schweizer, dass das derzeitige öffentlich-rechtliche Angebot „an den Bedürfnissen der Menschen, die das bezahlen“, vorbeiginge. Gegner der Initiative fürchten hingegen um die Unabhängigkeit der Schweizer Medienlandschaft.
Auf die Kritik, der Sinn von Medien ginge über die marktwirtschaftlichen Mechanismen von Angebot und Nachfrage hinaus, entgegnet Riesen: „Was sich nicht lohnt, ist entweder zu wenig interessant aufbereitet oder interessiert dann wirklich niemanden.“ Jene 5000 Künstler, die hinter dem Protest „No Billag - No Culture“ stehen, widersprechen dieser Argumentation: „Ohne die SRG verlieren alle. Kultur, politische Information und Sport“, erklärt der Filmemacher Paul Riniker. Alles würde bei schlechterer Qualität teurer, sagt Autor Martin Suter voraus.
Und wenn die Initiative abgelehnt wird? Christian Riesen ist skeptisch, dass es auch bei einem Nein zu Veränderungen käme: „Als die Zwangsgebühren in eine Haushaltssteuer geändert wurden, hat die Bundesrätin eine breite Diskussion versprochen, passiert ist damals nichts, gar nichts.“