Es pulsiert, dieses Berlin in den 1920er-Jahren. Nicht umsonst kehrt eine Zustandsbeschreibung immer und immer wieder: der Tanz auf dem Vulkan. Zumindest bombastisch gedacht ist jene Serie, deren Umsetzung schon seit geraumer Zeit für reges Interesse sorgt: Babylon Berlin, die Verfilmung des ersten Romans des deutschen Autors Volker Kutscher. Dieser schickt seinen Kommissar Gereon Rath vom beschaulichen Köln in die Hauptstadt Berlin, die schon damals zur Zeit der Weimarer Republik eine Legende war.
Die Stadt fungiert als eine Art Vakuum zwischen zwei Weltkriegen, das Motto der Menschen: Leben um jeden Preis. Bedeuten kann das natürlich beides: Feiern am Limit und den täglichen Überlebenskampf. Von beidem hat die Serie mehr als genug, verpackt in ein Konvolut aus Luxus, Armut, Sex und Korruption - und obendrein ist alles noch schön dicht miteinander verwoben.
Gleich drei Regisseure - Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries - arbeiteten an Drehbuch und Umsetzung. Die Kosten für die ersten beiden Staffeln zu je acht Folgen belaufen sich auf rund 38 Millionen Euro - die bislang teuerste deutsche Fernsehproduktion. Dimensionen, die man nur aus dem US-Fernsehen kennt. Zum Vergleich: Eine Folge Tatort kostet rund 1,4 Millionen Euro. Und noch eine Novität kann die Serie, die am 13. Oktober erstmals auf Sky zu sehen ist, vorweisen: Erstmals setzen ein Bezahlsender und mit der ARD ein öffentlich-rechtlicher Sender so ein Gemeinschaftsprojekt um. Die ARD strahlt die Serie im Herbst 2018 aus.
Dass der Trend zur Serie keine vorübergehende Modeerscheinung ist, hat man also auch in Deutschland verstanden. Und ist jetzt bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen, wie der ARD-Programmdirektor Volker Herres schon bei der Präsentation Anfang des Vorjahres anmerkte: „Wenn man es macht, kann man es nur opulent machen“. Rund 200 Drehtage und unzählige Kulissen in Babelsberg später steht nicht nur die Premiere bevor, sondern die dritte Staffel so gut wie fest. Zumindest am Stoff wird es auch für weitere Staffeln nicht mangeln, denn in den beiden Auftaktstaffeln wurde lediglich das erste Buch „Der nasse Fisch“ umgesetzt. Bleiben also immer noch vier weitere Bände.
Hauptfigur in Buch und Serie ist der Kölner Gereon Rath (gespielt von Volker Bruch), der sich anfänglich im Sittendezernat, später in der Mordkommission mit dieser Überfülle an Armut und Exzess herumschlagen muss. Seine Person ist symptomatisch für viele Figuren, die seine Wege kreuzen: Irgendetwas hat jeder zu verbergen. Auch er selbst, der noch einem verdeckten Auftrag hinterherläuft: ein hochrangiger Politiker, der in einer sexuell äußerst verfänglichen Situation auf Film gebannt wurde. Es geht also nicht nur in der Serie selbst Schlag auf Schlag.
Fallen irgendwo Schüsse, beginnt man mit und um Rath zu zittern, auf dass niemand merkt, dass er ein Trauma aus dem Kriegseinsatz mitschleppt: „Kriegszittern“ wurde das damals genannt und galt in der Öffentlichkeit als mimosenhafte Schwächlingskrankheit. Bruno Wolter, Raths zwiespältiger Partner gespielt von Peter Kurth, lässt auch keine Zweifel offen: „Die Flattermänner, die gehören auf den Müll.“
Bei einem dieser Zitter-Anfälle hilft die Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) Rath aus der Patsche, verabreicht ihm die nötigen Medikamente. Ritter kann so etwas nicht erschüttern, sie kennt die berauschende Anderswelt der Viermillionenmetropole, ihre Abgründe und die dazugehörigen sexuellen Obsessionen.
Die Serie lässt ihre Protagonisten zwischen zwei Enden der Welt - hier das überfüllte, zum Teil von schwerer Armut gebeutelte Berlin, dort das exzessive Nachtleben - pendeln. Doch dazwischen passiert noch jede Menge mehr, denn die Welt marschiert in diesen Jahren schnurstracks auf die nächste gewaltige Katastrophe namens Zweiter Weltkrieg zu. Die ersten Ausläuferwellen des Sturms sind an den unterschiedlichsten Ecken spürbar. Von gewalttätigen Ausschreitungen bei der 1.- Mai-Demonstration bis hin zu russischen Revolutionären, die ihr ganz eigenes Spiel spielen. Inmitten dieses Strudels versuchen Chronisten, akribisch zu dokumentieren und analysieren - darunter auch Karl Markovics, der einen Journalisten gibt. Der Vulkan, er brodelt, viel Zeit bleibt nicht mehr, aber die, die noch bleibt, ist verdammt spannend.