Die Chefin von RTL Deutschland, Anke Schäferkordt, skizzierte bei den Medientagen in Wien, wie das Fernsehen in Zukunft aussehen wird. Die Fragmentierung werde noch größer, On-Demand-Inhalte weiter zunehmen und neue Konkurrenten auf klassischen TV-Sender zukommen. "Das Tempo dieses Wandels hat ganz neue Dimensionen erreicht", sagte Schäferkordt am Mittwoch in ihrer Key Note.
Schäferkordt verwies auf die jüngsten Turbulenzen von Medienaktien an den Börsen. "Diese Schwankungen verdeutlichen vor allem eines, eine hohe Unsicherheit", so die deutsche Medienmanagerin. Ausgelöst seien die Umwälzungen von neuen Endgeräten und einem dadurch veränderten Nutzungsverhalten. Dies sei eine "Riesenchance" für Bewegtbild auf allen Kanälen, TV steht nicht mehr nur für Television sondern für "Total Video".
Beim Thema der Fragmentierung sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, sagte Schäferkordt mit Blick nach Amerika, wo die zehn größten TV-Stationen nur noch einen Marktanteil von 25 Prozent haben. Dazu kämen die US-Firmen Netflix, Amazon, Apple, Facebook und Snapchat, die in Video ein wesentliches Wachstum sehen. "Der Wettbewerb wird immer intensiver und die Inhalteflut weiter steigen", konstatierte Schäferkordt.
Klassische Fernsehsender müssten sich anpassen, hätten aber auch Wettbewerbsvorteile gegenüber den neuen Konkurrenten. Lineare TV-Anbieter bräuchten weiterhin Mainstream-Programm, um skalieren zu können, müssten gleichzeitig aber mehr auf Eigenproduktionen setzen - auch wenn dies deutlich teurer wäre als ein fertiges Programm zuzukaufen. Bei Vox seien früher US-Serien der Treiber gewesen, nun zeige der Marktanteil bei US-Fiction deutlich nach unten. Darüber hinaus benötigten TV-Sender Live-Events als "Reichweiten-Garanten", dies erkläre auch die Preissteigerungen bei Sportrechten.
Ziel: Personalisierte Ansprache des Kunden
Parallel erwartet Schäferkordt, dass in Europa die Zahlungsbereitschaft für Content steigen wird. In den USA, und auch in den skandinavischen Ländern, sei diese schon jetzt deutlich höher. Aufgrund der kleineren, aber spitzeren Zielgruppen rechnet Schäferkordt zudem mit steigenden Preisen für Fernsehwerbung. Das Ziel müsse eine personalisierte Ansprache des Kunden, kombiniert mit hoher Reichweite bei automatisieren Prozessen sein, also "individuelles Targeting im linearen TV".
Kritik übte Schäferkordt an den rechtlichen Rahmenbedingungen, lineare und non-lineare Inhalte seien komplett unterschiedlich reguliert. "Seit 15 Jahren reden wir über Konvergenz, das alles zusammen wächst, trotzdem schafft es die Politik nicht, mit dem veränderten Nutzungsverhalten Schritt zu halten.
ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker sagte nach der Key Note von Schäferkordt in einer Diskussion zwischen linearen und nonlinearen Anbietern: "Wir erreichen unsere Seher linear mit einer erstaunlichen Stabilität". Seine "ernsthafte Einladung" an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, sich an der neuen App "Zappn" zu beteiligen, lehnte dieser ab mit dem Verweis, dass dies eine ProSiebenSat1Puls4-Plattform sei.
Wrabetz meinte, "wir als Fernsehindustrie können selbstbewusst in die Diskussion gehen", zwischen professionellem Fernsehinhalten und lustigen Videos im Internet sei ein Unterschied. "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner, seit einem Jahr mit oe24.TV auch Fernsehanbieter, zeigte sich beeindruckt von den Zugriffen übers Internet, diese seien bei oe24.TV "fast explodiert". "Das Fellnereske daran ist, dass die Videos automatisch und auch im nicht sichtbaren Bereich starten, das ist natürlich genial", kommentierte Breitenecker Fellners Zahlen.
Christoph Schneider von Amazon Video sagte, mit dem Angebot ein breites Publikum ansprechen zu wollen und darüber hinaus mit eigenen Formaten eine Marktnische zu bedienen. Benjamin Reininger vom Sport-Streaming-Anbieter DAZN erklärte, dass DAZN eher ein zusätzliches Angebot schaffe als in direkte Konkurrenz zu treten, "aber natürlich interessieren wir uns auch für Mainstream-Sport". Das DAZN der Tod des Sports im linearen TV sei, "ist natürlich Quatsch". Wrabetz betonte, dass breitenwirksamer Sport Teil des Fernseherlebnisses sei und daher ins Free-TV gehörte.
Neben der inhaltlichen Debatte duellierten sich Breitenecker und Wrabetz in der Podiumsdiskussion entlang der bekannten divergierenden Positionen von Privat-TV und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Breitenecker meinte etwa, das ORF-Programm in gleicher Qualität und Quantität um die Hälfte der Gebühren machen zu können.