Der Nationalratswahlkampf ist im ORF-Stiftungsrat angekommen. Wie erwartet war bei der Sitzung am Donnerstag die Moderation der "Sommergespräche" Thema. FPÖ-Vertreter Norbert Steger skizzierte dabei gleich seine Pläne für eine ORF-Reform und verärgerte die Bundesländer-Stiftungsräte. Der ÖVP-Auftritt von Sport-Mitarbeiterin und Ex-Skiprofi Alexandra Meissnitzer wurde am Rande der Sitzung ebenfalls Thema.
"Ich beteilige mich nicht an Ersatzdiskussionen", sagte Steger mit Blick auf die anhaltende Aufregung über die Urlaubsvergangenheit von ORF-Moderator Tarek Leitner und SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern. Er meinte allerdings auch: Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz werde nicht dafür in Erinnerung blieben, dass er "Objektivität im Sinne der BBC verankert hat". Aber "bis zum neuen Gesetz ist es ja nicht mehr lang", blickte Steger schon mit kaum verhohlener Vorfreude Koalitionsverhandlungen seiner Partei entgegen. Das Medienkapitel werde er da wohl mitverhandeln, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Dass er bereits mehrere Versionen für eine ORF-Reform in der Schublade hat, gab er schon vor dem Sommer bekannt.
Was seiner Ansicht nach geändert werden muss: "Der öffentlich-rechtliche Auftrag ist nicht ausreichend definiert." Der ORF solle auch künftig finanziert werden, aber "nicht für die Quote", sondern die Erfüllung eines klaren Auftrages. Der Stiftungsrat selbst sei mitnichten "entpolitisiert" - künftig sollen ihn die Parteien zwar auch nicht mit Politikern, aber "deklariert" nach dem D'Hondtschen System bestücken. Die 35 Mitglieder würde Steger auf zwölf reduzieren: "Das ganze Brimborium gehört weg".
Neun Bundesländer-Vertreter würden sich bei dieser Zahl nicht mehr ausgehen, aber das ist nach Meinung Stegers auch nicht nötig: Die Ländern sollten einen "Beirat" erhalten, der ein Mitglied entsendet. Der ORF werde auch "nur überleben, wenn er die Länder und die Landesstudios ernst nimmt", so Steger. Dass sich die Länder-Stiftungsräte vergangene Woche quasi auf eigene Faust trafen, ist für ihn aber schlicht ein "Putsch".
Das wiederum erboste das Kärntner Mitglied Siggi Neuschitzer: "Wenn sich neun Sitftungsräte Gedanken und Sorgen über die Landesstudios machen, und dann ein Wiener Stiftungsrat von 'Putsch' spricht, dann weiß ich nicht, ob der noch richtig in diesem Gremium ist." Man vertrete nicht die Interessen der Länder, sondern arbeite für den ORF.
Eine "Scheindiskussion" über die Sommergespräche sah auch der SPÖ-Freundeskreisleiter Heinz Lederer. Schließlich gehe aus dem aktuellen Qualitätssicherungsbericht hervor, dass sich das Publikum vom ORF "gut und ausgewogen informiert" fühle - und das im Berichtszeitraum 2016, in dem praktisch das ganze Jahr gewählt wurde (nämlich der Bundespräsident). Er habe das "Gefühl", dass "in Zeiten des Wahlkampfs" nicht nur "persönliche Verunglimpfung" von Journalisten, namentlich Leitner, betrieben, sondern generell ein Vorstoß in Richtung Reglementierung der ORF-Journalisten versucht werde. Das habe eine "ganz schlechte Optik", warnte Lederer vor Verhältnissen "in einem Nachbarland". "Das beginnt bei der Nummer fünf der ÖVP-Liste und geht weiter. Dagegen muss man sich entschieden wehren."
Meissnitzer wird zum Gespräch gebeten
Dabei dräut schon die nächste Debatte über eine ORF-Mitarbeiterin: Dass Ski-Ko-Kommentatorin Alexandra Meissnitzer am Mittwoch bei der Präsentation des ÖVP-Wahlprogramms an der Seite von Spitzenkandidat Sebastian Kurz aufgetreten war, hatte der ORF-Konkurrent Puls 4 in seinen Nachrichten ausgeschlachtet. Meissnitzer selbst hatte betont, als "neutrale Person" auf der Bühne zu stehen. Ihr Partei-Auftritt "war dem ORF weder bekannt noch wäre er von diesem genehmigt worden", hieß es in einer Reaktion des Küniglbergs: "Es wird daher ein Gespräch mit Alexandra Meissnitzer geben, in dem diese entsprechend sensibilisiert wird."
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sieht wahlkampfmotivierte Debatten im Stiftungsrat gelassen. Das sei eben eine Diskussion, die da ein bisschen "rituell angestrengt wird", meinte er nach Ende der Sitzung. Für den ORF zähle die im Gesetz vorgeschriebene "Objektivität", und dass die verletzt worden wäre, "hat eigentlich niemand behauptet". Auch er verwies auf den am Donnerstag vom früheren ZDF-Intendanten Markus Schächter präsentierten Bericht zum ORF-Qualitätssicherungssystem, der dem heimischen Öffentlich-rechtlichen in punkto "Vertrauen" den Platz drei unter den europäischen Radiosendern und Platz vier im Europa-TV-Vergleich attestiere.
Das Dauerthema ORF-Standort beschäftigte den Stiftungsrat am Donnerstag ebenfalls wieder. Das Problem: Nach wie vor wartet man auf die Flächenwidmung für den Zubau. Während für die einen der (schwarze) Bezirk schuld ist, sehen die anderen (das rot-grüne) Wien am Zug.
"Entscheiden tut das die Vize-Bürgermeisterin (Maria Vassilakou, Grüne, Anm.) in Abstimmung mit dem Bürgermeister (Michael Häupl, SPÖ, Anm.) und der Stadtregierung", so Wrabetz. Zugleich ortet er aber in der Stadtregierung wenig Ambitionen, "über den Bezirk drüberzufahren". Der ORF werde nun die Gespräch mit Stadt und Bezirk "intensivieren".
Die Chancen beurteilt er aber wenig optimistisch, daher wird derzeit am "Plan B" gearbeitet - und wenn nötig, soll dieser im 1. Quartal nächsten Jahres vorgelegt werden. ÖVP-Stiftungsrat Thomas Zach deponierte schon am Donnerstag vorsorglich, dass er dem nicht zustimmen würde: "Nur, weil es jetzt bequemer wäre, etwas Anderes zu machen, ist das, was ursprünglich beschlossen wurde, nicht falsch."